08.09.2023

Ein Kraftort mit reicher Geschichte

von pd (1)

Die Flüsskilbi vom Sonntag, 10. September, um 14 Uhr steht unter einem besonderen Stern. Am 23. September 1948 weihte Bischof Franziskus von Streng die damals neu erbaute Flüsskapelle. Diese ersetzte eine kleinere Kapelle von 1678 mit einer bewegten Geschichte.

Jahrein, jahraus finden sich viele Menschen in der Flüsskapelle ein, sei es zur Einkehr und zum Gebet, zu einem Spaziergang oder einfach nur, um die Gegend mit der herrlichen Aussicht zu geniessen. Das war nicht immer so. Die 350-jährige Geschichte der Flüsskapelle ist reich befrachtet und fördert einige interessante Geschehnisse aus der Vergangenheit zutage.

Waldbruderschaft im Flüss

So bat Erbauer Niklaus Anderes von den Stöcken, Nottwil, 1678 aus «sonderbarem Afäckht, yffer und anmuotung», die damalige Obrigkeit nicht nur um Erlaubnis, ein «Capäl zu der Ehr Gottes» erbauen zu dürfen, sondern nebenan auch ein Wohn- oder Waldbruderhüsli. Nicht nur in den Anfängen hausten im Flüss Waldbrüder. 1815 erlaubte Sebastian Küng vom Elischwand dem «ehrenden Jüngling» Konrad Schaller von Nottwil, auf seinem Land eine «Eremiterey» zu erbauen. Dieses Waldbruderhaus stand etwa 100 Meter südöstlich der Flüsskapelle, also auf Ruswiler Seite. Gemäss mündlicher Überlieferung brannte das Häuschen in den 1830-er Jahren ab. Aus Schriftstücken geht hervor, dass spätestens 1839 ein neues Waldbruderhaus gebaut wurde, diesmal aber auf Nottwiler Seite. Es ist jenes kleine Gebäude, das ein Steinwurf von der Kapelle steht. Es ging 1933 in den Besitz von Familie Muff über, welche es in jüngster Zeit in ein wunderschönes «Stöckli» umbaute. Die Waldbrüder vom Flüss waren der Eremitenkongregation im Luthernbad unterstellt. Der letzte Bruder lebte bis zirka 1916 im Flüss.

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Kraft- und Pilgerort

Die Kapelle steht nicht nur auf der Wasserscheide, sondern auch hart auf der Grenze von Nottwil und Ruswil. Das Gebäude selber steht auf Nottwiler Boden. Die Linden und der grössere Teil vom Parkplatz gehören zu Ruswil, genauso wie die Strasse. Die Linden sind das Wahrzeichen vom Flüss. Die Ältere ist über 300-jährig. Die Jüngere, welche die Ältere überragt, wurde im Jahr 1887 gepflanzt, weil man glaubte, die alte Linde gehe demnächst ein. Seither sind 136 Jahre vergangen, und beide Linden stehen noch immer. Ob auch deshalb das Flüss für viele als Kraftort gilt?

Die Kapelle war schon früher ein beliebter Pilgerort. Von Zahnschmerzen Geplagte erhofften sich Linderung nach einem Besuch im Flüss. Davon zeugten die verbissenen Bänke in der alten Kapelle. Auch wurden Holzstücke abgetrennt, um an ihnen zu kauen. Eiternde Zähne verursachen Zahnfluss. Daher die Erklärung des Flurnamens Flüss. Auch der Zahn der Zeit nagte an der Substanz der Kapelle. Sie wurde baufällig.

Renovation oder Neubau?

Der Wunsch nach einer Neugestaltung der Kapelle kam nach dem zweiten Weltkrieg auf, aus Dankbarkeit, dass die Schweiz die Schrecken der letzten Kriege so unbeschadet überstanden hat. Es sollte eine Messekapelle werden, die also auch etwas grösser war als der Vorgängerbau. 20 Bauernfamilien der nahen Umgebung aus den Gemeinden Nottwil, Ruswil und Buttisholz, sogenannte «Interessierte», schlossen sich zusammen. Dazu kam eine Hand voll Geistlicher aus der Verwandtschaft der «Interessierten». Anfänglich wurden zwei Ideen verfolgt: Renovation und Erweiterung der bestehenden Kapelle, oder ein Neubau. Es zeigte sich rasch, dass nur ein Neubau infrage kommt. Zu baufällig war die alte Kapelle, und der Innenraum war für eine Erweiterung nicht geeignet.

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Genossenschaft unterhält Kapelle

Im April 1947 kam es zum Entschluss, eine neue Kapelle zu bauen. Dabei erhielt das Projekt vom Schwyzer Architekten Josef Steiner den Zuschlag. Bauern und Knechte der umliegenden Höfe leisteten viel Fronarbeit. Handwerker aus der nahen Umgebung zeigten sich in ihren Offerten gnädig. Viele Spender aus nah und fern unterstützten das Vorhaben. Der Bau kostete schliesslich 38’000 Franken. Die 20 Bauern aus der nahen Umgebung gründeten im Zusammenhang mit dem Bau eine Genossenschaft. Sie trug den Hauptteil der Kosten. Diese Genossenschaft besteht noch heute und umfasst die gleichen Liegenschaften wie damals. Sie verwaltet und unterhält die Kapelle. Und sie sorgt dafür, dass es mit der Kapelle weitergeht.

Vor rund 15 Jahren wurden die Umgebung und der Parkplatz umgestaltet. Zurzeit wird geprüft, den Eingangsbereich Behindertrengerecht zu gestalten. Finanzielle und denkmalpflegerische Aspekte müssen noch geklärt werden, bevor die Idee an der Generalversammlung behandelt werden kann. Die Geschichte der Flüsskapelle ist also noch nicht zu Ende geschrieben. Seelsorgerisch wird die Kapelle von der Pfarrei Nottwil betreut. Reservationen nimmt das Pfarreisekretariat gerne entgegen.


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