Das fast ausgstorbene Handwerk des Schmieds wurde vor zwei Jahren mit der Einweihung der renovierten Oberen Schmitte in Beromünster wiederbelebt. Foto Sandro Portmann/archiv
Das fast ausgstorbene Handwerk des Schmieds wurde vor zwei Jahren mit der Einweihung der renovierten Oberen Schmitte in Beromünster wiederbelebt. Foto Sandro Portmann/archiv
22.03.2019

Als es noch Seckler und Seifensieder gab

In Sursee, vor allem in der Altstadt entlang der Sure, fanden vom Mittelalter bis in die Neuzeit Dutzende von Handwerkern ihr Auskommen. Unter anderem gab es vier Mühlen – und mit dem Henker auch einen eher speziellen «Handwerker».

Sucht man heute in Sursee nach Spuren alten Handwerks, so wird man vor allem bei den Namen von Strassen, Wegen, Plätzen und Häusern fündig: Mühleplatz, Platz und Haus zur Farb, Alte Schmitte am Münsterplatz, Zumstegweg (Baumeister des Rathauses), Abeschweg (Hinterglasmaler-Dynastie) und Amlehnstrasse (Bildhauer-Dynastie) mögen als Beispiele dienen.

Den meisten Häusern sieht man heute kaum mehr an, dass in ihnen Schmiede, Bäcker, Gerber, Drechsler, Schuh- und Büchsenmacher hausten und werkten. Ein prominentes Relikt jedoch hat in seiner Funktion bis heute überlebt: Die Kreuzkapelle am westlichen Ende des heutigen Martigny-Platzes.

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Erbaut wurde sie wohl im 16. Jahrhundert von der Zunft und Bruderschaft der Metzger, Gerber und Schuhmacher, was an deren Wappen im Giebeldreieck der Kapelle abzulesen ist.


Von Barbieren und Zuckerbäckern
In der Turmkugel der Kreuzkapelle kamen historisch-statistische Notizen aus dem Jahr 1858 zum Vorschein. Demnach gab es damals in der Surenstadt sieben Brotbäcker, drei Pasteten- und Zuckerbäcker, vier Müller, je eine Gerberei, Färberei und Seifensiederei, drei Hufschmiede, einen Kupferschmied, je zwei Messerschmiede, Schlosser und Spengler, zwölf Schuhmacher, einen Kappenmacher, einen Hutmacher, sechs Schneider, zehn Kleidernäherinnen, drei Sattler, einen Kürschner, zwei Seiler, einen Zimmermeister, zwei Kaminfeger, zwei Dachdecker, drei Baumeister, je sechs Maurer und Schreiner, einen Gärtner, einen Glaser, drei Küfer, drei Drechsler, einen Flachmaler und Vergolder, je zwei Tapezierer, Buchbinder, Uhrmacher sowie Gold- und Silberschmiede und last but not least vier Barbiere.

Noch bis in die 1830er-Jahre hinein gab es in Sursee auch Handwerke, die heute gänzlich unbekannt sind: die «Seckler» zum Beispiel, die kleine Lederwaren wie Geld- und Tabakbeutel herstellten.
Feuerwerker waren gefährlich

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Eine prominente Handwerkergattung bildeten auch in Sursee die sogenannten «Feuerwerker», also jene Handwerker und Gewerbetreibenden, die mit Feuer hantierten, wie etwa die Schmiede mit der Esse. Diese organisierten sich kurz vor 1600 zunftmässig, wovon auch das Zunftlibell von 1797 Zeugnis ablegt.

Zum vielseitigen Bild des Hufschmieds gehörte auch der Handel mit Alteisen. Weniger im Sinne des Zunftlibells dürfte die Nebentätigkeit des Büchsenmachers Lang an der Harnischgasse gewesen sein, der als Faktotum alles reparierte, was man ihm brachte.


Es ist leicht nachvollziehbar, dass die Tätigkeit der «Feuerwerker» auch mit besonderen Gefahren für die Stadt verbunden war. Die ältesten feuerpolizeilichen Verordnungen Sursees aus dem 15. Jahrhundert betreffen denn auch die Schmiede, Kessler, Schlosser und Bäcker. So durften nur vollständig erkaltete Holzkohlen in die Stadt geführt werden. Den Bäckern verbot man, vor zwei Uhr morgens mit dem Backen zu beginnen, und die Schmiede durften das Feuer in ihren Essen erst nach drei Uhr nachts entfachen. Spätestens zur Betglockenzeit am Abend mussten sie es wieder löschen. Auf fehlbares Verhalten stand eine namhafte Busse.


Dass diese Vorschriften keinesfalls aus der Luft gegriffen waren, zeigen die verschiedenen Stadtbrände, die grosse Teile der Altstadt in Schutt und Asche legten. Die letzte grosse Brandkatastrophe von 1734, welcher der grosszügige freie Platz in der Oberstadt zu «verdanken» ist, wurde durch unvorsichtiges Backen im Haus des Glasers Brütsch-lin an der Harnischgasse ausgelöst.

Das Feuer griff, begünstigt durch starken Wind, rasch auf zwei Drittel der Stadt über – innerhalb eines halben Tages brannten nicht weniger als 116 Wohnhäuser, zwei Türme, die beiden Waschhäuser, das Schlachthäuschen und vier Scheunen ab.


Streit unter den Müllern

Eine grosse Bedeutung für die Ernährung der Bürgerschaft – im 17. Jahrhundert zählte Sursee um die 900 bis 1000 Einwohner – kam den Mühlen zu. Bis ins 19. Jahrhundert gab es drei davon: die Vorstadtmühle, die mittlerweile der Überbauung Mühlehof gewichen ist, die Stadtmühle (die heutige Pizzeria zur Mühle am Mühleplatz) und die Grabenmühle, deren Gebäude im Stadtgraben beim Untertor ebenfalls noch existiert.

Allen dreien gemeinsam war die Lage an der Sure, deren Wasser die Mühlenräder antrieb. Die relativ geringe Wassermenge, welche die Sure mitführt, reichte für diesen Zweck – wenn auch nur knapp, so dass es des öftern zu Streitigkeiten zwischen den Besitzern der Vorstadt- und der Stadtmühle wegen der Wasserzufuhr kam.


Beim erwähnten letzten grossen Stadtbrand von 1734 wurden auch die Gebäude der Stadtmühle ein Opfer der Flammen. Sie wurde ein Jahr später wieder aufgebaut, wobei auch der Wasserstuhl erhöht wurde, was zu einem jahrelangen Prozess mit der oberhalb gelegenen Vorstadtmühle führte. 1741 entschied dann das Gericht, dass die Stadtmühle auf so viel Wasser Anspruch habe, dass sie damit drei Räder betreiben könne.

Während über 100 Jahren, von 1804 bis 1909, blieb die Stadtmühle im Besitz der Familie Beck vom Beckenhof. Sie existierte als einzige der seit dem 19. Jahrhundert vier Mühlen auf Surseer Stadtgebiet (als vierte kam die Galgen- oder Neumühle bei der heutigen Frischfleisch AG in der Münchrüti hinzu) bis in die 1970er-Jahre.


Makabres Handwerk
Apropos Galgenmühle: Diese erhielt ihren Namen aufgrund des Umstands, dass sich an ihrem Standort vor Jahrhunderten die Richtstätte der Stadt Sursee befand. Seit 1575 hatte die Surenstadt nachgewiesenermassen auch einen eigenen Henker, dessen Arbeit man durchaus auch als – zugegeben eher makabres – Handwerk bezeichnen könnte.

Vorher mussten sich die Surseer den Henker jeweils in Luzern «ausleihen». In jenen Jahrhunderten gabs für diesen speziellen Handwerker reichlich Arbeit. Denn es wurden nicht nur Verbrecher aufgeknüpft, sondern auch Dutzende Hexen verbrannt – ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte der Stadt Sursee, die in ihrem Friedkreis über die höhere oder Blutsgerichtsbarkeit verfügte.


Für Aufsehen sorgte 1608 der Fall des protestantischen Basler Handelsreisenden Martin Duvoisin, der sich in einem Surseer Wirtshaus abschätzig über die Jungfrau Maria und das Wallfahren geäussert haben soll. Er wurde darauf beim Rat der Stadt Sursee wegen Gotteslästerung denunziert, verhört und – da er sich standhaft weigerte, zu widerrufen – auf der Münchrüti vom Scharfrichter enthauptet.

Das gleiche Schicksal widerfuhr 1653 dem Escholzmatter Christian Schybi, welcher der prominenteste Anführer der Rebellen im Bauernkrieg war und vor der Hinrichtung im Verlies der Surenstadt (mutmasslich im Rathaus) gefoltert wurde. Interessanterweise befindet sich an der Fassade der eingangs erwähnten Kreuzkapelle eine Gedenkplatte zur Erinnerung an den in Sursee hingerichteten Bauernführer.

Es scheint, dass die Handwerker nicht nur für ihr eigenes Seelenheil besorgt waren.   

Dieser Text basiert auf den Notizen von alt Stadtarchivar Stefan Röllin zu einer Themenführung zum alten Surseer Handwerk und zur Geschichte der Stadtmühle Sursee.


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