Daniel Bossert (links) und André Brunner gruben im Archiv nach der Vereinsgeschichte der Feldschützengesellschaft Sursee. Foto: Ana Birchler-Cruz
Daniel Bossert (links) und André Brunner gruben im Archiv nach der Vereinsgeschichte der Feldschützengesellschaft Sursee. Foto: Ana Birchler-Cruz
20.03.2019

Der Verein, der Kriege überdauerte

200 Jahre hat die Feldschützengesellschaft Sursee auf dem Buckel. Präsident Daniel Bossert und Aktuar André Brunner werfen einen Blick zurück.

Sie ist der zweitälteste Verein in Sursee, direkt hinter der Musik- und Theatergesellschaft. Die Feldschützengesellschaft Sursee (FSG) feiert dieses Jahr ihr 200-jähriges Bestehen. Anno 1819 erliess der Stadtrat eine Schützenordnung und setzte fünf Mitbürger als Schützenrat ein. Darunter Louis Schnyder vom Wartensee und Conrad Göldlin.

Seit 2007 präsidiert Daniel Bossert den zehnköpfigen Vorstand der Feldschützen. Mitglied im Verein ist er bereits seit 31 Jahren. Die Leidenschaft für den Sport ist nur ein Grund für die langjährige Treue. «Noch nie habe ich eine solche Kameradschaft erlebt. Gemeinsam haben wir viele Höhen und Tiefen gemeistert», sagt er.

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Suche nach einem «Zuhause»

Eine dieser Tiefen war die Realisierung eines neuen Schiessstandes. 40 Jahre besass die FSG keinen eigenen 300-Meter-Schiessstand. Denn 1976 musste die alte Anlage im Feuchtgebiet «Venedig» beim Surseer Wald der neuen Autobahn weichen. Davor dienten unter anderem die Arkaden der Schützenstube beim Untertor als Schiessstand (siehe Kasten) sowie der Schiessstand in der Hasenwarte ab 1874. «Wir haben Lösungen in allen Variationen mit verschiedenen Gemeinden gesucht, doch sind gescheitert», erzählt Daniel Bossert. Während dieser Zeit wich die FSG auf die Anlagen der umliegenden Gemeinden aus. Durchhaltewillen war gefragt. Und schliesslich folgte auf das Tief das Hoch. 2012 gründete die FSG mit der SG Oberkirch die einfache Gesellschaft SAWE. Die Schiessanlage Weierweid gehörte fortan zur Hälfte der FSG. «Wir hatten wieder ein Daheim, darüber waren wir sehr glücklich.» 

 

Nachwuchs wird gesucht

Bis 1967 verfügte die FSG über 543 Mitglieder. Die hohe Anzahl hatte unter anderem mit der Pflichtmitgliedschaft zu tun, die im 20. Jahrhundert den Wehrpflichtigen aufgrund der Bedrohung durch die beiden Weltkriege auferlegt wurde. 1996 löste der Bundesrat die Zwangsmitgliedschaft auf. Folglich gingen die Mitgliederzahlen der Schweizer Schützenvereine stark zurück. Beim FSG Sursee waren es um 1988 noch um die 30 Aktivmitglieder.

Was den Nachwuchs angeht, so sieht Daniel Bossert leider keinen Trend nach oben. Die Freizeitangebote für die Jugend seien heute unendlich. Und um aktiv in einem Verein mitzuwirken, fehle vielen die Zeit. Laut Bossert absolvierten viele Jugendliche die Jungschützenkurse und verschwänden dann von der Bildfläche. Aber viele kehrten einige Jahre später zum Verein zurück. So auch Aktuar André Brunner. Er bestritt die Jungschützenkurse in den 90er-Jahren und trat dem Verein 2008 bei. Dem Vorstand sei es ein Anliegen, den Verein nicht veralten zu lassen und sich stetig für neuen Nachwuchs einzusetzen.

 

 

Drei Anlässe zum 200-Jährigen

Das 200-Jahr-Jubiläum wird von der FSG gebührend gefeiert. Am 11. Mai veranstaltet der Verein in der Schützenstube einen Tag der offenen Tür. Dort wird es einen Apéro, Erzählungen zur Vereinsgeschichte und eine Führung durch die Schützenstube und deren Schätze geben.

Ein weiterer Jubiläumsanlass findet am 29. Juni bei der Pistolensektion statt. Diese ist eine Untersektion der FSG. Einen dritten Event gibt es am 4. September bei der Schiessanlage Weierweid Oberkirch. «Gewöhnlich würden wir zu einem solch bedeutenden Anlass ein Schützenfest organisieren», so Bossert. Doch ein grösseres Fest hatte die FSG bereits mit dem Weierweidschiessen 2018 veranstaltet. Und für die, welche sich schon immer einmal im Feldschiessen probieren wollten, findet wie jedes Jahr am 24. und 25. Mai das eidgenössische Feldschiessen statt.

 

Die Entstehung der Wehrvereine

Bereits im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit veranstalteten Jagdgesellschaften adliger Herkunft private Schützenveranstaltungen. Auch städtische Gruppen hielten Schiessübungen mit Bogen und Armbrust ab, hält das Historische Lexikon der Schweiz in einem Beitrag zum Schützenwesen fest.Erst im 15. Jahrhundert, als die Feuerwaffen aufkamen, wurden Schiessveranstaltungen zunehmend zu Anlässen städtisch-bürgerlicher Repräsentation. Über die Durchführung entschied die Obrigkeit. Diese nutzte die Anlässe, um Bündnispolitik zu betreiben. Ebenfalls nutzten die Städte die Anlässe, um wirtschaftliche Macht sowie militärische Stärke zu demonstrieren.

Im 16. und 17. Jahrhundert, mit zunehmender kriegstechnischer Bedeutung der Feuerwaffen, wurden Milizorganisationen gegründet. Diese waren fortan für die militärische Ausbildung der Schützen verantwortlich. Die Schützengesellschaften trugen ebenfalls zur Ausbildung bei. Diese genossen gewisse Privilegien wie beispielsweise eigene Plätze und Schützenhäuser.

 

 

Vermischung mit dem Militär

Nach dem Untergang der alten Eidgenossenschaft erlitt das Schützenwesen einen Unterbruch. Wiederbelebt wurde es 1824, mit der Gründung des eidgenössischen Schützenvereins in Aarau und folgend dem ersten eidgenössischen Schützenfest. Diese Feste entwickelten sich in der Regenerationszeit zu Treffen der liberalen Erneuerungsbewegung und führten in den liberalen Kantonen zur Gründung vieler Schützenvereine. Gleichzeitig hatten die Vereine eine nationalpolitische und paramilitärische Funktion. So griffen manche Mitglieder in die politischen Auseinandersetzungen vor 1848 ein. Andere Schützengesellschaften nahmen an den Freischarenzügen teil.

Ab 1874 betraute man die Schützenvereinen mit der Durchführung der militärischen Schiessübungen. Schweizweit entstanden zahlreiche Schützenstände. Um 1908 übertrug man den Schützenvereinen die Organisation des obligatorischen Schiessens, und gleichzeitig verfügte der Staat über eine Aktivmitgliedschaft der Wehrpflichtigen in einem Schützenverein. Die zivile sowie die militärische Schützenkultur vermischten sich.

 

Schiessen wird zum Sport

International entwickelte sich das Schützenwesen durch das Schiessen als olympische Disziplin und die  Gründung der internationalen Schützenunion immer mehr zu einem Sport. Diese Bewegung wirkte sich auf die Schweiz aus. Es folgte die allmähliche Trennung von militärisch geprägten Schiessanlässen wie dem obligatorischen oder dem eidgenössischen Feldschiessen und sportlichen Schiesswettkämpfen. 2002 änderte man schliesslich den Namen des Schweizer Schützenverbands in Schweizer Schiesssportverband.

 

Das Schützenhaus beim Untertor im Sommer 1940. Das Foto stammt von Hermann Friebel-Sahli. Quelle: ETH-Bibliothek Zürich.

 

Als man noch gegen den Diebenturm schoss

 

Bis um 1874 benutzten die Surseer Schützen die Arkaden der Schützenstube beim Untertor als Schiessstand. Dabei schossen sie in Richtung Diebenturm.

Ein sichtbares Zeichen des Wehrwillens der Surseer Bürgerschaft ist neben der Stadtbefestigung mit Türmen, Mauer und Graben die an das Untertor angebaute Schützenstube. In deren arkadenförmigem Erdgeschoss befand sich der Schiessstand, wie der Surseer Politiker und Waffensammler Carl Beck in seiner 1967 erschienenen Schrift «Das Wehrwesen der Stadt Sursee» ausführt.

Kugeln in der Küche

Gemäss Beck nutzten die Schützen den Schiessstand unter der Schützenstube bis um 1874. Sie schossen entlang dem Unteren Graben in Richtung des Diebenturms auf die in einer Wiese aufgestellten Scheiben, hinter denen ein fünf Meter hoher Kugelfang errichtet war. Beck zitiert Hans Hollenwäger, der berichtete, dass sich trotz dieses Kugelfangs gelegentlich Kugeln in die Küche der einige hundert Meter entfernten Vorstadtmühle verirrten.

Sogar Kleriker schossen scharf

Sogar Kleriker wie Vierherr Wagemann sollen sich im Schiessen geübt haben. «Wenn dann der Schuss ins Schwarze traf, musste ein Glas Elsässer her, um das wichtige Ereignis gebührend zu bekräftigen», schrieb Beck mit einem Augenzwinkern. Verschiedentlich richteten die Surseer auf diesem Schiessplatz unmittelbar vor der Stadtmauer auch wichtige Schiessanlässe aus, so etwa 1452 das erste Ehr- und Freischiessen der acht alten Orte. Mit dem zunehmenden Schiesssport sei dieser Schiessstand mit der Zeit zu klein geworden, so Beck.


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