28 Jahre lang bearbeitete André Graf in Sursee Fälle von Straftaten. Ende Jahr geht er als leitender Staatsanwalt der Abteilung 3 in Pension. Foto: Daniel Zumbühl
28 Jahre lang bearbeitete André Graf in Sursee Fälle von Straftaten. Ende Jahr geht er als leitender Staatsanwalt der Abteilung 3 in Pension. Foto: Daniel Zumbühl
02.12.2018

«Es gab immer wieder belastende Momente»

Am 31. Dezember übergibt André Graf das Amt des leitenden Staatsanwalts der Abteilung 3 an seinen Nachfolger Bruno Schwarzentruber. In 28 Jahren bearbeitete der Ruswiler mit seinem Team unzählige kleinere und grössere Fälle. Eine Tätigkeit, die spannend und vielseitig war – aber auch belastend sein konnte.

Wer eine Straftat begeht und beispielsweise gegen das Strassenverkehrsgesetz verstösst, wird zum Fall für die Staatsanwaltschaft. Was das bedeutet, weiss wohl kaum jemand besser als André Graf. Ende dieses Jahres geht er als leitender Staatsanwalt der für die Wahlkreise Sursee, Willisau und Entlebuch zuständigen Abteilung 3 in Pension – einen Monat nach seinem 65. Geburtstag, weil die Amtsperiode der Staatsanwälte erst am 31. Dezember 2018 endet. Zu seinem Nachfolger wählte der Kantonsrat Bruno Schwarzentruber, der bisher als Assistent der Staatsanwaltschaft 3 tätig war. Die Geschäftsleitung wird Staatsanwalt Michael Bucher übernehmen. Nach dem Studium der Rechte, das er an der Universität Basel als lic. iur. abschloss, und dem Erwerb des Rechtsanwaltspatents war der Ruswiler zuerst als Gerichtsschreiber in Hochdorf und danach als Partner in einem Anwaltsbüro in Emmenbrücke tätig. 1990 wurde er als geschäftsleitender Amtsstatthalter in Sursee gewählt. 21 Jahre später, 2011, mutierte das Amtstatthalteramt, das im Polizeiposten an der Centralstrasse einquartiert war, zur Abteilung 3 der Staatsanwaltschaft, verbunden mit dem Umzug auf die andere Strassenseite, in den Pax-Neubau auf dem Areal der alten Ofenfabrik.

«Sursee wird städtischer»

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An die Zeit im Amtstatthalteramt erinnert sich André Graf gerne zurück. «Das war eine schöne Zeit. Nach Abschluss der Untersuchung konnte man einen Fall an die Staatsanwaltschaft in Luzern und in der Folge an das Gericht überweisen. Mit der Einführung des Staatsanwaltsmodells bleibt der Fall bis zum Abschluss beim zuständigen Staatsanwalt.» Damit sei alles viel hektischer geworden. «Zudem merken wir, dass Sursee städtischer wird. Delikte wie Banküberfälle, Schlägereien, Sexualdelikte und Fälle häuslicher Gewalt nehmen markant zu», lässt der Vater zweier erwachsener Kinder durchblicken. Insgesamt wird allein die Abteilung 3 der Staatsanwaltschaft in Sursee heuer gegen 7000 neue Fälle bearbeitet haben, darunter sämtliche Tierschutzfälle im Kanton Luzern. Während Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz meistens relativ schnell abgeschlossen sind, können sich komplexere Fälle über Monate, teils sogar Jahre hinziehen. Vor diesem Hintergrund ist es für André Graf eine Entlastung, dass Anfang 2019 ein zusätzliches, fünftes Offizium (so wird ein Team aus Staatsanwalt und Assistentin/Assistent genannt) provisorisch für vier Jahre seine Arbeit aufnimmt. Damit muss ein Offizium nicht mehr wie bis anhin alle sechs, sondern alle acht Wochen den «Eingang» übernehmen. Der Begriff «Eingang» bezeichnet den Zeitraum von zwei Wochen, in denen alternierend jeweils ein Offizium der Staatsanwaltschaft sämtliche eingehenden Fälle entgegennimmt.

Spannende, vielseitige Tätigkeit

«Es war eine sehr spannende und vielseitige Tätigkeit», sagt André Graf rückblickend auf seine 28 Jahre als Amtsstatthalter beziehungsweise Staatsanwalt. Sein Beruf sei auch deswegen interessant gewesen, weil er es immer mit Menschen, freilich zum Teil in schwierigen Situationen, zu tun gehabt habe. Neben der zunehmenden Hektik merke man, dass es immer mehr Anwälte gebe, schmunzelt der Ruswiler vielsagend. «Zudem sind die Fälle komplexer geworden, wodurch natürlich auch der Zeitaufwand bis zum Abschluss angestiegen ist», ergänzt er. Und während früher beispielsweise bei Strassenverkehrsdelikten der offenkundig Fehlbare im Gespräch einen Strafbefehl einfach angenommen habe, sei man heute viel prozessfreudiger. «Aber immerhin können rund 90 Prozent der Fälle auch heute noch im ersten Anlauf erledigt werden», rechnet André Graf vor. Der scheidende Staatsanwalt macht keinen Hehl daraus, dass es in seiner Tätigkeit immer wieder auch belastende Momente gegeben habe: «Am tragischsten waren für mich jeweils Unfälle mit Todesfolge, an denen Kinder und Jugendliche beteiligt waren. Und auch Suizide mit dem Zug waren oft mit sehr unschönen Bildern verbunden. » Er gehe in solchen Situationen gerne im Wald joggen, quasi als Debriefing. Und oft helfe auch ein Gespräch unter Kollegen bei der Verarbeitung. Mit der Zeit werde man auch etwas «abgehärtet», räumt André Graf ein. In der Anfangszeit als Amtsstatthalter hingegen seien ihm die schwereren Fälle – in besonderer Erinnerung geblieben ist ihm «sein» erstes Tötungsdelikt im Surental – noch ungleich stärker eingefahren.

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Englischkenntnisse aufpolieren

Die Tätigkeit als Staatsanwalt habe ihm aufgrund der Anzahl und Schwere der Fälle schon «aghänkt», gibt der Ruswiler Kirchenratspräsident unumwunden zu. «Ich bin denn auch nicht unglücklich darüber, dass es jetzt für mich etwas ruhiger wird.» Immerhin kann sich André Graf gutschreiben lassen, dass es nicht viele Staatsanwälte geben dürfte, die ihr Amt bis zur Pensionierung mit 65 ausgeübt haben. So darf er sich mit Fug und Recht auf den neuen Lebensabschnitt freuen, den er durchaus auszufüllen weiss: «Ich werde nun wieder mehr Zeit für mein Grosskind, fürs Klavierspielen und für sportliche Betätigung haben. Zudem habe ich mir als einer, der die Griechisch-Matura in Stans absolvierte, fest vorgenommen, meine Englischkenntnisse aufzupolieren, damit ich für geplante Reisen gewappnet bin.»


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