Die helvetische Republik kannte das weisse Kreuz auf rotem Grund noch nicht. Nach französischem Vorbild führte sie die Trikolore auf der Flagge. Foto zVg
Die helvetische Republik kannte das weisse Kreuz auf rotem Grund noch nicht. Nach französischem Vorbild führte sie die Trikolore auf der Flagge. Foto zVg
19.03.2019

«Schwarz und Weiss reichen nicht aus»

Die Helvetik (1798–1803) hatte miserable Karten, sagt Kurt Messmer. Trotzdem gehöre sie zum Wichtigsten, was der Schweiz widerfahren sei.

Die Helvetik friste ein stiefmütterliches Dasein, führte der Historiker Kurt Messmer zu Beginn seines Vortrags aus. Das liege daran, dass die «Franzosenzeit» zwischen 1798 und 1803 nur schwer fassbar, aber trotzdem facettenreich gewesen sei. «Für die Bewertung dieser Periode reichen die Farben Schwarz und Weiss nicht aus», so Messmer. Rückblickend sei indes klar, dass die Helvetik miserable Karten hatte: «Sie war von aussen aufoktroyiert, zeitlich eine Episode und stand quer zu allem Bisherigen.» Dennoch gehöre sie zum Wichtigsten, was der Schweiz je widerfahren sei.

Weshalb das Jahr 1798 einen Bruch darstellte, führte Messmer in den folgenden 90 Minuten aus. Die Helvetik habe den Beginn der Entwicklung vom autoritären Obrigkeitsstaat zum modernen Verfassungsstaat markiert, skizzierte Messmer die historische Grosswetterlage. Der Schweiz brachte die Helvetik eine Verfassung, Gewaltenteilung und weitgehende Freiheitsrechte. Zentral sei die Abschaffung der Untertanenverhältnisse und damit die Überwindung der Aristokratie gewesen: «Das hat der Gleichheit vor dem Gesetz zum Dammbruch verholfen.»

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Gespaltene Eidgenossenschaft

Gemäss Messmer habe der Einmarsch der Franzosen gezeigt, wie tief gespalten die Eidgenossenschaft zu dieser Zeit gewesen sei. Unfähig zur gemeinsamen Abwehr, reagierten die Orte ganz unterschiedlich. Während in Luzern 1798 das Patriziat abdankte, lieferten sich die Nidwaldner und die Besatzungsmacht einen blutigen Kampf mit hunderten Toten. In Liestal, Genf und Lausanne wurde Napoleon als Freiheitsheld begrüsst.

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Während der Helvetik standen sich Gegner und Befürworter des neu eingeführten Zentralismus nach französischem Vorbild – Förderalisten und Unitarier – unvereinbar gegenüber. Innert zwei Jahren kam es zu vier Staatsstreichen. «1802 zog Napoleon den Stecker und seine Truppen aus der Schweiz ab», so Messmer. Im Februar 1803 habe er den Kantonen dann eine neue, gemässigte Verfassung übergeben, die Mediationsakte.

Trotz kleinerer (Mediationsakte) und grösserer (Wiener Kongress) Rückwärtsbewegungen sei die Zeit der Helvetik letztlich zentral für die Entstehung der modernen Schweiz gewesen, schloss Messmer seinen Vortrag. Dies, weil viele Ideen und Errungenschaften der Helvetik während der Regeneration (1830–1848) wieder aufgenommen worden seien und zur Entstehung des Bundestaats 1848 beigetragen hätten.

 

 

Vortragsreihe des Vereins Historia Viva:

Dienstag, 26. März um 19.30 Uhr: «Weichenstellungen auf dem Weg zur modernen Schweiz 1798-1848». Vortrag von André Hollenstein im Rathaus Sursee.

Dienstag, 2. April um 19.30 Uhr: «Politik und Religion - der dornenvolle Weg des Kantons Luzern in den Bundesstaat von 1848». Vortrag von Heidi Bossard-Borner im Rathaus Sursee.

Einzeleintritt 10 Fr. / Mitglieder Historia Viva und Studenten 8 Fr.


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