Insgesamt 705 Silbermünzen von 1736 bis 1843 lagern heute bei der Kantonsarchäologie in Luzern. Damals hatten sie einen enormen Wert. (Foto: Kantonsarchäologie Luzern)
Insgesamt 705 Silbermünzen von 1736 bis 1843 lagern heute bei der Kantonsarchäologie in Luzern. Damals hatten sie einen enormen Wert. (Foto: Kantonsarchäologie Luzern)
13.08.2018

Silberschatz aus dem Jahr 1982 begeistert noch heute

Im Haus der Sidler AG fanden Bauarbeiter 1982 einen Silberschatz. Dieser beinhaltete 175-jährige und ältere Münzen aus halb Europa. Im September 2017 wanderten die Münzen vom Sankturbanhof nach Luzern. Das Geld diente wohl als Notgroschen der Familie Zust.

«Es war uns eine grosse Ehre, diesen Schatz die letzten 10 Jahre im Sankturbanhof zeigen zu dürfen», schrieb Co-Leiterin Sibille Arnold Mitte September 2017 Josef Sidler. Im Leihvertrag von 2007 ist der Wert des Schatzes beziffert. «Der Gesamtwert der Münzen liegt bei 50’000 Franken.» Die 705 Münzen aus den Jahren 1736 bis 1843 wanderten zur Kantonsarchäologie, wo sie seither fachgerecht eingelagert sind.

Vor 36 Jahren gefunden
Am Mittwoch, 10. Februar 1982, starb die unvergessene Volksschauspielerin Margrit Rainer. Im Wohn- und Geschäftshaus der Familie Sidler an der Badstrasse 1 in Sursee arbeiteten Josef Willimann und Lehrling Jules Steiger von Kurmann und Balmer. «Beim Mauerabbruch im Erdgeschoss stiess ein Bauarbeiter auf der Höhe von ca. 1,4 Meter über Boden auf einen halb zerfallenen Jutesack, gefüllt mit unzähligen Münzen und Resten von zwei bis drei Rosenkränzen», protokollierte Josef Sidler.
Er und seine Frau Theresia reinigten die Münzen. Die Ehefrau erstellte ein Münzinventar. Trotz Bemühungen der Familie, den Fund geheim zu halten, sei die Meldung meilenweit durch die Luzerner Landschaft gelaufen, berichtet er. «Vorsorglicherweise versteckten wir die Ware an einem sicheren Ort.» Inzwischen suchte die Familie den Rat von Münzexperten, die den Wert der Münzen tiefstapelten. «Ein Bankvertreter aus Sursee riet uns, die Münzen einzuschmelzen und das Silber zu verkaufen.»
Danach verstrichen einige Jahre, in denen Josef Sidler und seine Geschwister Gras über den Silberschatz wachsen liessen und sich Zeit nahmen. «Ich bin persönlich interessiert an historischen antiken Ereignissen und Sachen. Deshalb schalteten wir eine Denkzeit ein.»
2003 organisierte der damalige Stadtarchivar Stefan Röllin – wie jedes Jahr – eine historische Vortragsreihe und lud unter anderem Jürg Manser ein. Der Archäologe und Josef Sidler kamen ins Gespräch. Das eine ergab das andere. Am Freitag, 5. November 2004, übergab Josef Sidler den «Hortfund von 705 Silbermünzen» offiziell dem Kanton Luzern. 11’000 Franken bekam die Sidler AG dafür. Kantonsarchäologe Jürg Manser dankt der Familie noch heute: «Insgesamt bin ich froh und dankbar, dass die Sidlers den Silberschatz als Ganzes aufbewahrt und diesen nicht in der Familie verteilt oder gar eingeschmolzen haben.»
Bei der feierlichen Übergabe bezeichnete der damalige Kulturdirektor Anton Schwingruber den Fund als «kulturhistorisch bedeutend». Er dankte Josef Sidler, dass er den Siberschatz nicht eingeschmolzen hat. Josef Sidler habe erkannt, dass «der wahre Wert viel mehr wert sei als der Wert der Ware».

Bietet Einblick in den Geldumlauf
Im gleichen Jahr der Bekanntmachung des Schatzes, 2003, publizierte der Münzexperte José Diaz Tabernero über den Hortfund eine 50-seitige Schrift. Darin wertete er den Fund wissenschaftlich aus. «Der Wert dieses Hortes besteht in erster Linie in seiner Eigenschaft als ausserordentliches historisches Dokument, das einen Einblick in den Geldumlauf der groben Silbersorten in der Landschaft Luzern kurz vor Einführung des Bundesgeldes 1850 gibt.»
Der Surseer Fund ist bisher erst der zweite Hort des 19. Jahrhunderts aus der Zentralschweiz. Der Surseer Hortfund besteht heute aus 705 Silbermünzen der Jahre 1736 bis 1843. Ein Grossteil der Münzen stammt aus Frankreich mit Fünf-Franc-Münzen. Auch Kreuzer, Gulden und Taler aus habsburgisch-österreichischem, deutschem, italienischem, belgischem und schweizerischem Raum waren darunter. Auffallend, so schreibt José Diaz, sei die Präsenz schweizerischer Münzen, die in den anderen Funden nach jetzigem Kenntnisstand fehlen. Die chronologische Verteilung konzentriert sich auf die Jahre 1811 bis 1835, die rund 70 Prozent des Horts ausmachen. «Diese Struktur weist darauf hin, dass der Hort nicht über längere Zeit und in mehreren Parteien zusammengetragen wurde, sondern, dass es sich hier um eine einmalige Entnahme aus dem Geldumlauf handelt.»

Notgroschen in unsicheren Zeiten
Warum versteckte die damalige Hausbesitzerfamilie Zust die Münzen in der Hauswand? Experte José Diaz folgert aus den Akten über das Haus Nr. 184 in der Oberkircher Vorstadt und den damaligen Einlösungstarifen bei der Münzreform: «Für diese Zeit bedeutete der Hort demnach eine beträchtliche Summe.» Er bezeichnet die Münzen als «Notgroschen», aber nicht feststellbar sei, weshalb der bedeutende Betrag eingemauert worden sei. Möglicherweise haben die Unruhen der 1840er Jahre das Verstecken ausgelöst. Im Vorfeld des Sonderbundkriegs lagen sich Konservative und Liberale bereits in den Haaren. Die Freischarenzüge von 1844 und 1845 verunsicherten.
Als Besitzer des Hortes komme Irenä Zust in Frage, der die Liegenschaft 1845 seinem Sohn Franz verkauft hat. Möglicherweise hat er einen grossen Teil der in bar ausbezahlten Verkaufssumme von 2700 Gulden eingemauert. Ein weiteres Rätsel bleibt: Warum konnten Irenä Zust oder seine Familie die Münzen nicht mehr aus dem Versteck zurückholen? Erst knapp 140 Jahre später brachten Josef Willimann und Jules Steiger per Zufall den Schatz wieder ans Licht.

Suche nach Antworten geht weiter
Rahel Achermann, die Leiterin des Inventars der Fundmünzen der Schweiz, schreibt im aktuellen Heft von Denkmalschutz und Archäologie Luzern über die Faszination: «Die Münzen sind voller Informationen.» Die Suche nach Antworten begleitet sie – auch im Fall des Surseer Hortfunds – weiterhin.

Seit 38 Jahren begleitet der Münzfund Josef Sidler und Jules Steiger. Sie erinnern sich, als ob der 10. Februar 1982 gestern gewesen ist.

Josef Sidler ist 87-jährig und kommt 37 Jahre nach Auffinden des Schatzes ins Schwärmen. Sofort sagt er zu, sich im Fundhaus im ehemaligen «Badhaus» zu treffen und darüber zu erzählen. «Hier hinter der Kasse an der Wand in der Mauer im Erdgeschoss fand ein Lehrbueb den Schatz», zeigt er mit dem Finger den Fundort. Weil der Schatz 1,5 Meter über dem Boden geborgen worden sei, habe er der Familie gehört, macht er klar, denn dem Kanton gehöre nur Gefundenes, wenn es im Boden sei.

Das «Fussvolk» gratulierte
Mit sechs Kindern ist Josef Sidler aufgewachsen. «Ein Teil meiner Geschwister wollte die Fundmünzen untereinander aufteilen, ein anderer Teil hingegen meinte um Himmels Willen nicht», schildert er die damaligen Diskussionen in der Familie.
Auch die Bevölkerung murmelte über den Schatzfund, und Gerüchte zogen durch die Stammtische. Heute bezeichnet Josef Sidler die Reaktionen in Sursee als merkwürdig. «Das ‘Fussvolk’ hat uns gratuliert. Andere wollten den Schatz sehen und wissen, wie viel er wert ist.» Eine Bauersfrau aus dem Hinterland, eine Kundin der Sidler AG, habe ihm gedankt, dass er den Schatz nicht verschleudert habe. Schon kurz nach der Offenlegung der Fundmünzen 2004 bekannte Josef Sidler in dieser Zeitung: «Ich wollte, dass alles zusammenbleibt.»

Plötzlich tauchte Napoleon auf
Direkt am Ort des Geschehens war Jules Steiger. Damals lernte er bei Kurmann und Balmer in Sursee das Maurerhandwerk und entdeckte den Silberschatz bei Bauarbeiten. «Das ist schon lange her», sagt er zuerst, aber er könne sich noch gut an den Fund erinnern. Bauführer Josef Willimann sei auch dabei gewesen. «Wir starteten um 7.30 Uhr mit dem Ausheben des Fundaments. Plötzlich waren zuerst Rosenkränze und etwas Rundes im Dreck aufgetaucht», erzählt er. Eine Münze mit Jahrgang 1815 und dem Konterfei von Napoleon habe dann das Goldfieber vollends ausgelöst. In alten Säcken seien nach und nach ganze viele Münzen gefolgt.
Um 9 Uhr sei Seniorchef Josef Sidler wie üblich mit einem Kaffee gekommen. «Er fragte uns, was wir machen, und stoppte die Graberei sofort», erinnert sich Jules Steiger. Bei Umbauarbeiten könne immer etwas aus dem Nichts auftauchen, das sage er auch seinen Mitarbeitern. «Bei der Sidler AG war das aber wie ein Sechser im Lotto und eine einmalige Sache», sagt der heutige Geschäftsleiter und Verwaltungsrat der Bauunternehmung Jules Steiger AG in Triengen.

Eine Aufrichtereise zum Dank
Wie den Akten von Josef Sidler zu entnehmen ist, bekam Josef Willimann 600 Franken Finderlohn, wobei 200 für den Lehrling Jules Steiger gerechnet waren. Was er mit diesem Geld kaufte, weiss Jules Steiger nicht mehr. Er erzählt aber, dass sie beide nach Bauende bei der Sidler AG zu einer grossen Aufrichtereise eingeladen worden seien. «Wir besichtigten die Bernina in Steckborn, schauten am Nachmittag den Flughafen Zürich an und genossen am Abend das Nachtessen im ‘Löwen’ in Büron.» Seither habe er nie mehr eine solche Aufrichte erlebt, ergänzt Jules Steiger. (sti)


 

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Josef Sidler hat alles über den 1982 gefundenen Silberschatz von der Badstrasse 1 in Sursee fein säuberlich dokumentiert. (Foto: sti)





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