Foto: ana
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20.12.2017

Verkehr macht der Surenstadt zu schaffen

Sursee ist längst zur urbanen Zentrumsregion avanciert. Das hat nicht nur Gutes: Zu Stosszeiten platzen die Strassen und Busse aus allen Nähten. Im Interview erklärt Sursees Zentrumsentwickler André Marti, welche Massnahmen kurz- und langfristig Abhilfe schaffen könnten.

Weder Fisch noch Vogel, weder Stadt noch Land: Sursee ist ein Zwitterwesen. Welche Herausforderungen stellen sich der Verkehrsplanung in der Region?
Sursee wird urbaner und entwickelt sich zur Stadt. Das hat zur Folge, dass der zur Verfügung stehende Platz für den motorisierten Individualverkehr, den MIV, immer kleiner wird. Entsprechend wird der Stellenwert des flächeneffizienteren Langsamverkehrs und des öV in Zukunft noch stärker zunehmen müssen, ansonsten droht die Stadt im Individualverkehr zu ersticken.

Wie kann der Langsamverkehr gefördert werden?
Zum Langsamverkehr gehören in erster Linie Fussgänger und Velofahrer. Entsprechend sind die bestehenden Velorouten zu optimieren, auszubauen und mit sogenannten Premiumrouten zu ergänzen. Das sind Velowege, die das schnelle Pendeln zwischen zentralen Infrastrukturen wie Schulen, Einkaufszentren und Wohnquartieren ermöglichen. Dies entschärft die Problematik auf den Strassen, denn ein grosser Teil des Verkehrs ist hausgemacht und findet auf kurzen Strecken, von Quartier zu Quartier, statt.

Was muss im Bereich des MIV passieren, damit die Staus auf den Pendlerkorridoren abnehmen?
Das MIV-Konzept, das Sursee Plus in diesem Jahr vorgestellt hat, hat gezeigt, dass der Ausbau und die Optimierung der Ringstrasse die besten Resultate zeitigen würden. Die grossräumige Umfahrung durch den Surseer Wald, wie sie einst visioniert wurde, ist indes mit hohen Kosten und geringer Entlastungswirkung verbunden.

Wie kann der öV mit diesen Entwicklungen Schritt halten?
Die Herausforderung im öV ist, potenzielle Entwicklungen der Bevölkerungsstruktur und des Bevölkerungswachstums zu antizipieren. Dabei spielt vor allem die Siedlungsentwicklung eine grosse Rolle. So gilt es, in Zukunft die Peripherie-Zentrums-Routen zu optimieren und mit einem Zentrumsbus-konzept zu ergänzen.

In welchen Bereichen lassen sich schnell und gezielt Massnahmen umsetzen?
Der Langsamverkehr birgt grosses Potenzial. Indem man auf das Pendlerverhalten zielt, könnten einfache Mittel ohne bauliche Massnahmen bereits viel bewirken. Denkbar sind Anreizsysteme wie Veloleihstationen, E-Tankstellen oder Ähnliches. Auch beim MIV sind prinzipiell schnelle Verbesserungen möglich, zum Beispiel mit Verkehrsmanagementsystemen.

Sie sprechen von Dosiersystemen wie Lichtsignalanlagen und Busspuren.
Genau, wobei hier immer eine Interessenabwägung stattfinden muss. Priorisiert man die Busse, wird der MIV zwangsläufig eingeschränkt werden.

Welche Dosiersysteme sind denkbar?
Einerseits separate Busspuren, andererseits aber auch elektrische Regelsysteme, welche die Gegenfahrbahn kurzzeitig sperren und für den Bus passierbar machen. Zudem würden Parkleitsysteme das Suchen und Umherfahren in Quartieren und auf der Ringstrasse eindämmen und zur Entlastung beitragen.

Wie schnell lassen sich solche baulichen Massnahmen umsetzen?
Die meisten Massnahmen, die den Individualverkehr betreffen, sind baulicher Natur und brauchen Zeit, bis sie die entsprechenden Instanzen auf Kantons- und Gemeindebene passiert haben. Zudem sind umfangreiche Bauprojekte wie das Untertunneln des Schlottermilch- und Bifangkreisels, damit sich weniger Spuren kreuzen, zeit- und geldintensiv.

Und der politische Wille muss vorhanden sein.
Das stimmt, wobei es selten am Willen, sondern an den beschränkten Mitteln scheitert. Meistens geht es um die Frage: Wer finanziert die Massnahmen, Kanton oder Gemeinden? Die Gemeinden haben wenig Interesse, Projekte vorzufinanzieren, die der Kanton als weiteren Ausbauschritt zu einem späteren Zeitpunkt geplant hat, nur damit das Problem sofort gelöst ist. Dazu kommt oft auch die Situation, dass eine Gemeinde auf ihrem Gemeindegebiet Investitionen auslösen muss, deren positiven Auswirkungen aber die eigene Gemeinde nur wenig betreffen. Hier ist regionale Solidarität gefragt.

Wo steht Sursee verkehrstechnisch in fünf Jahren?
Bis dahin sind wir hoffentlich einen Schritt weiter, und einige Massnahmen haben den politischen Prozess bereits überstanden und können umgesetzt werden. Eventuell sind bereits erste Abschnitte der Velo-Premiumrouten gebaut. Im Bereich des MIV wird der
grosse Wurf aber aufgrund der langen Verfahren noch nicht gelungen sein.

Welche Visionen haben Sie für Sursee für die kommenden 50 Jahre?
Sursee wird auch dann weder Grossstadt noch autofrei sein. Sie könnte jedoch zu einer exemplarischen Region werden, die den Spagat zwischen Wohnen und Arbeiten und den Umgang mit dem Pendlerverkehr geschafft hat. Der motorisierte Individualverkehr dürfte aber nach wie vor eine grosse Rolle spielen. Damit einher geht die Ausrichtung auf die grossen Hauptverkehrsachsen der Bahn und der Autobahn. (moc)


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