Das Bild aus dem Jahr 1943 zeigt den Grossratssaal nicht während einer Session, sondern anlässlich der Hundert-Jahr-Feier des Historischen Vereins der Fünf Orte (heute Historischer Verein Zentralschweiz). Foto: ZVG
Das Bild aus dem Jahr 1943 zeigt den Grossratssaal nicht während einer Session, sondern anlässlich der Hundert-Jahr-Feier des Historischen Vereins der Fünf Orte (heute Historischer Verein Zentralschweiz). Foto: ZVG
01.12.2018

Viermal mehr «Josef» als Frauen im Grossrat

Im nächsten Jahr erscheint ein Buch über die 2582 Luzerner Grossräte von 1803 bis 2007. Aus dem Amt Sursee stammten 450 – 19 davon waren Frauen. Eine Liste über die Personen ist noch in der Vernehmlassung.

Am 31. März 2019 finden die nächsten Kantonsrats- und Regierungsratswahlen statt. Ob bis dann die Übersicht über die Mitglieder des Luzerner Grossen Rats von 1803 bis 2007 in Buchform vorliegt, ist derzeit noch ungewiss. Im nächsten Jahr soll es jedoch erscheinen. Die ehemalige Kantonsrätin und Historikerin Margrit Steinhauser hat den Auftrag vom Regierungsrat gefasst. Mithilfe aus der Bevölkerung – insbesondere von Familien ehemaliger Ratsmitglieder – ist erwünscht, um die Daten zu prüfen, zu ergänzen und, wenn nötig, zu korrigieren.

163 Frauen von 2582 Grossräten

aaa

Diese Zeitung hat mehrere Blicke auf die vorhandene Liste der Grossräte geworfen. Die männliche Form ist hier angebracht, weil von den insgesamt 2582 Grossräten nur 163 Frauen waren. 450 Grossräte, davon 19 Frauen, umfasst die Liste für das Amt Sursee. Der Name Wahlkreis Sursee wurde erst ab 1. Januar 2013 offiziell. Zu beachten ist auch, dass der Kanton Luzern zwischen 1911 und 1931 in 19 Wahlkreise aufgeteilt war. Das Amt Sursee beinhaltete die Wahlkreise Sursee, Triengen, Münster, Sempach und Ruswil. Seit 1935 gilt die heutige Regelung.

Das Luzerner Kantonsparlament entstand nach den Wirren um Napoleon, der 1798 in die Eidgenossenschaft stürmte und – kurz gesagt – vieles über den Haufen warf. Ab 1803 tagte dann erstmals ein kantonales Parlament, der Grosse Rat, den die neue Kantonsverfassung mit Inkrafttreten am 1. Januar 2008 in «Kantonsrat» umtaufte. Deshalb untersucht Margrit Steinhauser die Zeitspanne von 1803 bis 2007. Die vorhandene Liste offenbart Name, Vorname, Geburts- und Todesdatum, Heimatort, Wohnort, erlernter Beruf, Tätigkeit beim Amtsantritt, Ein- und Austrittsdatum in den Grossrat, Parteizugehörigkeit und allenfalls das Jahr des Ratspräsidiums.

Rickenbacher Richter war Erster

bbb

Johann Jost Schüpfer aus Rickenbach taucht als Erster aus dem Amt Sursee im Grossen Rat auf. Am 27. Dezember 1804 trat der am 24. März 1764 geborene Richter für die Liberalen sein Amt an. Mehr als ein Jahr älter war jedoch Jakob Bühlmann aus Neuenkirch mit Geburtsdatum am 17. Dezember 1762, der auch als Richter arbeite, aber erst 1831 – nach der konservativen Wende – in den Grossen Rat gewählt wurde. Insgesamt beschreibt die Liste 42 Grossräte mit Geburtsjahr im 18. Jahrhundert, also vor 1800. Josef Stirnimann aus Knutwil kam als Zweiter aus dem Amt Sursee in den Grossen Rat. Der Liberale Rechtsanwalt, der auch als Landwirt arbeitete, ist am 30. Mai 1777 geboren und am 1. Januar 1809 gewählt worden. Mit Stirnimann kam der erste «Josef» in den Grossrat.

Bis 2007 folgten ihm 83. 18,7 Prozent aller Grossräte aus dem Amt Sursee hiessen von 1803 bis 2007 Josef. Einen kleinen Schub erlebte das Amt Sursee 1814 mit der Wahl von Balthasar Helfenstein (Sempach, konservativ) sowie den drei Liberalen Josef Fidel Huber (Triengen), Heinrich Rüttimann (Sempach) und Heinrich Wyder (Eich).

Alice Wey ist bisher die Einzige

Bis ins Jahr 1846 musste das Amt Sursee warten, bis es mit Bernhard Meyer den ersten Grossratspräsidenten stellen konnte. Der Surseer Jurist war bei Amtsantritt als Grossrat Staatsschreiber. 25 Ratspräsidien stellte das Amt Sursee von 1803 bis 2007. Nur eine Person davon war eine Frau: Die Liberale Alice Wey aus Rickenbach konnte im Jubiläumsjahr 1991 den Grossen Rat präsidieren. Vier Politiker aus dem 19. Jahrhundert haben den Rat mehrmals präsidiert: Der Surseer Johann Amberg (1872, 1878 und 1883), der Oberkircher Dominik Fellmann (1889 und 1911), der Trienger Vinzenz Fischer (1873 und 1879) sowie der Beromünsterer Adam Herzog (1874, 1880 und 1888). Alle vier gehörten der konservativen Fraktion an.

Derzeit sind von den 21 Kantonsräten des Wahlkreises Sursee acht Frauen (38,1 Prozent). Immerhin, kann gesagt werden, denn in den 204 Jahren von 1803 bis 2007 hat das Amt Sursee nur 19 Frauen ins kantonale Parlament geschickt. Erst acht Jahre nach Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts schafften 1979 Vreni Sigrist (CVP) aus Oberkirch und Alice Wey (FDP) aus Rickenbach den Sprung in den Grossen Rat.

1920 brach die Phalanx

Auch die parteipolitische Zusammensetzung der «Surseer» Delegation im Parlament war über Jahre dominiert von den Konservativen und den Liberalen. 1920 durchbrach Lehrer Balthasar Xaver Grossert aus Sursee mit der CSP diese Phalanx. Wilhelm Roos aus Sursee schaffte 1927 die Wahl. Er blieb 20 Jahre für die CSP im Grossen Rat. Insgesamt 15 CSP-Vertreter aus dem Amt Sursee wirkten in Luzern. Sieben SVP-Grossräte, vier SP-Grossräte (drei davon Frauen), zwei Grüne- Grossräte und zwei Poch-Grossräte sowie einer von der bunten Liste komplettieren das Parteienspektrum, das in der jüngsten Vergangenheit noch durch die GLP ergänzt wurde.

Die Liste bietet auch interessante Informationen zur Herkunft der Grossräte. Einerseits vermerkt sie die Heimatorte, andererseits die Wohnorte der 450 Personen. 52 aller Grossräte haben Heimatort Ruswil, an zweiter Stelle folgt Sursee mit 32 und drittens die ausserkantonalen Orte mit 30. Das Rottal hat neben Ruswil mit Grosswangen (25 Personen) und Buttisholz (21 Personen) eine starke Stellung. Die Auswertung der Wohnorte zeigt ein ähnliches Bild. Die Stadt Sursee und Ruwil liegen mit 55 Grossräten gleichauf. Fast ein Viertel aller 450 Grossräte von 1803 bis 2007 wohnten demnach in diesen beiden Gemeinden. Über 30 Grossräte konnten auch Wolhusen und Grosswangen stellen. Weniger als zehn Grossräte schickten die Gemeinden Eich, Geuensee, Hildisrieden, Mauensee, Pfeffikon, Schenkon, Schlierbach und Wilihof in diesen 204 Jahren nach Luzern.


Schon gelesen?

Anzeigen

Zum E-Paper

Lesen Sie unser wöchentlich erscheinendes E-Paper und tauchen Sie ein in spannende Reportagen, Politkrimis und erfahren Sie das Neuste aus Ihrer Gemeinde.

zum ePaper

Meistgelesen

Instagram