Screenshot Webcam Luzerner Kantonsspital
Screenshot Webcam Luzerner Kantonsspital
23.01.2019

Warum das Spital den Anwohnern in den Garten blickt

Mitglieder des Quartiervereins Mariazell haben an der Webcam des Luzerner Kantonsspitals (Luks) wenig Freude. Das Spital reagiert und passt die Webcam an.

Seit 2016 stehen auf den Dächern der Kantonsspitäler Sursee, Wolhusen und Luzern Webcams – und das nicht ohne Grund, wie Mediensprecher Beat Fischer erklärt: «Die Webcams dienen insbesondere den Helikoptern respektive den Unternehmungen, die Patiententransporte per Helikopter machen, zur Klärung der Wettersituation im Anflugkorridor zu den Spitälern. Ein weiterer Nutzen ist sicher, dass die breite Bevölkerung über die aktuelle Wettersituation orientiert ist.»

Heckenschnitt aus dem Archiv

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Nicht orientiert waren hingegen die umliegenden Anwohner in Sursee. Erst im Dezember 2018 merkten einige, dass eine Kamera vom Spitaldach in ihre Vorgärten und Wohnzimmer blickt – in erstaunlich hoher Auflösung. Alle zehn Minuten speicherte die Kamera ein Bild und legte dieses auf der Website ins Archiv, so dass jeder auf der Welt bis ins Jahr 2016 zurückverfolgen konnte, wann dieser oder jener Spitalanwohner seine Hecken schnitt.

Romeo Venetz, Präsident des Quartiervereins Mariazell, wurde nach mehreren Telefonaten besorgter Anwohner Anfang 2019 bei Marcel Büeler, Bereichsleiter Öffentliche Sicherheit der Stadt Sursee, vorstellig. «Die Stadt hat keine eigene Regelung bezüglich Webcams und hält sich deshalb an die kantonalen Richtlinien. In diesem Fall agierte die Stadt als Vermittlerin und riet dem Quartierverein, sich direkt mit dem Spital in Verbindung zu setzen», so Büeler.

Gesagt, getan, deponierte der Quartiervereinspräsident Romeo Venetz die Anliegen der Spitalanwohner bei der Unternehmenskommunikation des Luzerner Kantonsspitals. Die Auflösung, der Bildwinkel, sowie die Archivierungs- und Zoomfunktionen gehörten für die Quartierbewohner zu den störenden Faktoren der Webcam. Neben einer Vorabinformation reagierte das Spital auch bereits mit Taten, verpixelte vergangene Woche die kameranahen Gebäude und deaktivierte die Archivfunktion.

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Es gilt abzuwägen

Matthias Schönbächler ist Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern und begutachtete auf Anfrage die aktuellste Version der Webcam: «Wenn auf der Webcam keine Personen identifizierbar sind, gilt das Gesetz über die Videoüberwachung nicht, und die Webcam kann frei von einer Anordnung installiert werden.»  Mediensprecher Beat Fischer meint: «Die Installation erfolgte unter Beachtung der geltenden Datenschutz- und Persönlichkeitsrechtsbestimmungen. Es werden keine Personen gefilmt; sie sind auch nicht erkennbar. Wo erforderlich, erfolgten Verpixelungen. Deshalb war eine Information der Nachbarschaft nicht notwendig.» Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht, wie Matthias Schönbächler weiter ausführt: «Umfriedete Höfe, Gärten und Balkone gehören zum Privatbereich der betroffenen Personen, wenn diese dem Einblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen bleiben.  Es ist daher abzuwägen, ob eine Webcam in diesen Privatbereich eindringt oder nicht. Grundsätzlich ist der Betreiber einer Webcam verpflichtet, sicherzustellen, dass die Bilder anonymisiert sind und nicht in den Privatbereich der Anwohner eindringen.» Dabei sollten nicht nur Gesichter und Fahrzeugkennzeichen, sondern auch weitere individualisierende Merkmale wie Hautfarbe, Kleidung, Hilfsmittel von körperlich behinderten Personen und so weiter nicht mehr feststellbar sein.

Sind die eben genannten Punkte nicht erfüllt, können betroffene Personen die Herabsetzung der Auflösung der detaillierten Bilder verlangen. Falls effektiv widerrechtlich personenbezogene Daten bearbeitet werden, kann die betroffene Person die Unterlassung fordern. So weit möchte Romeo Venetz nicht gehen: «Wir wollen die Antwort des Kantonsspitals abwarten, um zu sehen, inwiefern die Fragen und Anliegen der Spitalanwohner beantwortet beziehungsweise berücksichtigt sind.»


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