Die Krippe in der Pfarrkirche Sursee. Foto:ana
Die Krippe in der Pfarrkirche Sursee. Foto:ana
19.12.2018

Weihnachten ist ein Fest für alle, oder?

Dürfen Konfessionslose und aus der Kirche ausgetretene Personen Weihnachten feiern? Ja, selbstverständlich, antworten die Vertreter von Kirchen aus der Region und betonen gleichzeitig, warum die Geburt Jesu wichtig ist. Heute ist Weihnachten vor allem ein Familienfest.

In der Primarschule heisst es immer wieder, fragen dürfe man alles, und deshalb sollte auch diese Frage erlaubt sein: «Dürfen Konfessionslose, aus der Kirche Ausgetretene, Atheisten und Freidenker Weihnachten feiern?» Schliesslich ist Weihnachten ein christliches Fest. Hat die Toleranz eine Grenze? 

Walter Bühlmann ist Vierherr in der katholischen Pfarrei Sursee. Er antwortet: «Es wäre eine christliche Überschätzung, Weihnachten den Kirchenausgetretenen und Atheisten zu verbieten. Die Gesellschaft hat sich verändert, viele Leute kommen nicht mehr zu uns. Wir sind aber froh, dass es christliche Feste und Feiertage gibt, obwohl sie nicht mehr eine grosse Bedeutung haben. Die Hauptbotschaft von Weihnachten ist, dass Jesus Mensch geworden ist. Die Realität ist, dass Weihnachten eine lange christliche Tradition hat.» 

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Eigenartig, aber doch erlaubt

Pfarrer Hans Weber arbeitet in der reformierten Kirche in Sempach. Er sagt: «Ja klar dürfen die das!  Es ist ja ein Geburtstagsfest. Man wird nicht nur für gewisse Leute geboren, sondern generell. Also, gesetzt der Fall, jemand, der nicht zu meiner Familie, Verwandtschaft oder zu meinem Freundeskreis zählt, möchte meinen Geburtstag feiern (in welcher Weise auch immer), so ist das zwar eigenartig, aber doch erlaubt. Jesus ist viel bekannter als ich. Also werden mehr Leute feiern wollen, als bei mir.

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Schön wäre es aber, wenn alle, die Weihnachten feiern, auch wissen, weshalb sie dies tun. Sonst ist das Fest um seinen eigentlichen Sinn und Kern beraubt. Das finde ich schade. Es ist nicht irgend eine Geburtstagsparty mit Lachsbrötli, Tischbombe und Champagner.» 

Auch Graham Garver, Leiter des Vineyard Sursee, teilt diese Ansicht. «Ich denke «ja», Menschen, die nicht an Gott glauben, dürfen Weihnachten feiern. Wenn jemand nicht an Gott glaubt, muss er aber vermutlich dem Weihnachtsfest eine andere Bedeutung geben als die ursprüngliche. Dennoch hat Weihnachten durchaus andere Facetten, die andersgläubige Menschen nicht ausschliessen. 

Einerseits feiern wir als Christen die Geburt Jesu – Gottes Geschenk an die Menschheit. Andererseits bietet das Weihnachtsfest eine Möglichkeit für Famlie und Freunde, zusammenzukommen und gemeinsam etwas zu erleben – wir feiern quasi unsere Zusammengehörigkeit. In der Weihnachtszeit denkt man auch öfters an Bedürftige, an Menschen in Not. Wir werden offener, grosszügiger. Wir laden Leute ein, mit uns zu feiern, die sonst alleine wären. Für mich gehört dies alles zu Weihnachten. Auch Menschen, die nicht an Gott glauben, ‘dürfen’ dies tun.»

 

«Gott wird Mensch»

Christian Schmitter ist Pastor der Chrischona Sursee. Er meint: «Selbstverständlich dürfen Menschen, die nicht an Gott glauben, Weihnachten feiern. Sie müssten sich aber überlegen, was sie an diesem Tag feiern. Ich möchte nichts verbieten, aber gerne den eigentlichen Grund von Weihnachten erklären. Gott wird Mensch. Er kommt, um mit uns Menschen eine Gemeinschaft zu haben. Wenn die Nichtgläubigen dies erkennen, verändert sich ihr Bild von Weihnachten.

Ich bin lieber für die tiefe Bedeutung von Weihnachten als gegen den Kommerz. Viele feiern in einer leeren Hülle Weihnachten und erinnern sich an die Kindheit. Schade finde ich es, wenn Weihnachten nicht mit dem Glauben an die Geburt Jesu gefeiert wird. Einlassen in diese Geschichte wäre schön, und auch die Auseinandersetzung, was diese Geschichte mit mir zu tun hat.»

 

Eine Familiengeschichte

Samuel Kneubühler hat Wurzeln in Ruswil, wohnt in Luzern und ist Mitglied der Freidenker-Vereinigung Schweiz. «Natürlich feiere ich Weihnachten, aber das Fest hat eine andere Bedeutung ohne religiösen Charakter. In der Schule haben wir früher Weihnachten gefeiert, was mich überhaupt nicht gestört hat. Ich habe beim Singen einfach das Wort ‘Gott’ ausgelassen, weil es für mich keine Bedeutung hat.

Heute ist bei uns Weihnachten eine Familiengeschichte mit Singen, Essen und Geschenken. Der 24. Dezember hat viele heidnische Einflüsse wie das Erntedankfest. Der Weihnachtsbaum etwa. Die Betonung der Symbolik erinnert daran. Meine Mutter hat einen Tannenbaum, weil sie Freude daran hat. Zudem ist Weihnachten nicht der höchste christliche Feiertag, sondern Ostern und Pfingsten. Ich habe die Bibel gelesen. Es gibt Freidenker, die Weihnachten nicht feiern oder sich extrem dagegen wehren. Mehr Rückhalt bei den Freidenkern geniesst der 21. Dezember, der Tag der Wintersonnenwende. Nur eine extrem kleine Minderheit ist gegen Weihnachten.» 

 

Martin Luther hat Weihnachten «familisiert» 

Geschichte  Vierherr Walter Bühlmann aus Sursee kennt die Geschichte von Weihnachten. «Das Weihnachtsfest ist erst nach der Mainzer Synode 813 als allgemeiner Feiertag eingeführt worden, und im Glaubensbekenntnis spielt es keine grosse Rolle. Im Neuen Testament erwähnen die beiden Evangelisten Lukas und Matthäus Weihnachten, aber in der Botschaft ist Ostern das entscheidende Fest. Erst Franz von Assisi begründete 1223 die Krippentradition mit Eseln und Ochsen. Dass Weihnachten heute ein Familienfest ist, verdanken wir Martin Luther. Er sah im Überbringen der Geschenke eine Möglichkeit, Weihnachten, die Geburt Jesu, unter das Volk zu bringen. Er verlegte den Brauch des ‘einander Schenkens’ vom St. Nikolausfest auf Weihnachten. Die Familie in der eigenen Wohnung war der geeignete Ort für die Feier und nicht die Kirche. Erst später wurde das Fest der Geburt Jesu für die Bevölkerung in die Kirchen verlegt.»

 


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