Die helvetische Republik kannte das weisse Kreuz auf rotem Grund noch nicht. Nach französischem Vorbild führte sie die Trikolore auf der Flagge. Foto zVg
Die helvetische Republik kannte das weisse Kreuz auf rotem Grund noch nicht. Nach französischem Vorbild führte sie die Trikolore auf der Flagge. Foto zVg
10.03.2019

Als sich Sursee auf den Krieg vorbereitete

Der Einmarsch der Franzosen 1798 bildete für die Schweiz eine Zäsur. Wie die Revolutionswirren in Sursee zu spüren waren, erklärt der Historiker Kurt Messmer. Er eröffnet am 14. März um 19.30 Uhr im Rathaus Sursee die diesjährige historische Vortragsreihe.

Kurt Messmer, in welchem Zustand befand sich die alte Eidgenossenschaft 1798?
Der Einmarsch der Franzosen bedeutete 1798 einen grundlegenden Systemwechsel. Um dieses politische Erdbeben zu begreifen, muss man vorerst die Eidgenossenschaft im 18. Jahrhundert in den Blick nehmen. Politisch war die Schweiz erstarrt, wirtschaftlich jedoch dynamisch. Beim Einmarsch der französischen Revolutionsheere zeigte sich, wie tief gespalten unser Land war. Das Luzerner Patriziat dankte im Januar 1798 freiwillig ab und verhinderte damit ein Blutvergiessen. Die Nidwaldner hingegen, angetrieben von der Geistlichkeit, lieferten im September einen Abwehrkampf, der Hunderte von Toten forderte.


Historiker Kurt Messmer.

Warum spricht man von einem Umbruch, und wie ist er zu werten?
Die neue Ordnung, die Helvetik, brachte zwar grossartige Errungenschaften: Verfassung, Gewaltenteilung, Freiheitsrechte. Aber der strikte Zentralismus missachtete die während Jahrhunderten sorgsam gehütete Eigenständigkeit der Orte und war deshalb zum Scheitern verurteilt. Zentralisten und Föderalisten standen sich unvereinbar gegenüber. Nach vier Staatsstreichen innert kurzer Zeit bewahrte Napoleon die Schweiz vor einem Bürgerkrieg. Mit der «Mediation» gab er unserem Land eine neue, gemässigte Verfassung. Die 13 alten Orte kamen wieder zu ihrem Recht. Sechs Kantone wurden neu geschaffen – fast alle aus ehemaligen Untertanengebieten.

Wurde auch Sursee von den Revolutionswirren erfasst?
In keinem andern Ort des Luzernerlands dokumentieren drei Bauzeugen in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander die Besitz- und Lebensverhältnisse vor 1798 so eindrücklich wie in Sursee. Die drei imposanten klösterlichen Amtshäuser von St. Urban, Muri und Einsiedeln verloren damals die prägende Funktion, die sie seit dem Mittelalter ausgeübt hatten. Kurz nach Neujahr bereitete man sich 1798 in Sursee hektisch auf einen Krieg vor, nahm dann aber die Ereignisse nach der Abdankung der Luzerner Obrigkeit erstaunlich gelassen. Das zeigt sich etwa daran, dass die Mehrheit der Surseer Ratsmitglieder 1798 das Mandat behielt, politisches Erdbeben hin oder her. Immerhin hatte man die Stadtkasse frühzeitig in Sicherheit gebracht. Mitten in der «Franzosenzeit», im Jahr 1800, wurde in Sursee die «Theater- und Freundschaftsgesellschaft», die heutige Musik- und Theatergesellschaft, gegründet – typisch für jene Zeit und das erstarkte Bürgertum.

Gibt es zu Sursee in dieser Zeit einige Kennziffern?
Sursee zählte damals etwa 1000 Einwohner. Unter ihnen waren 18 Schuhmacher, sieben Metzger, neun Bäcker, sechs Gerber und acht Schlosser. Etwa 70 Prozent der Leute konnten lesen, etwa zehn Prozent lesen und schreiben.

Die Helvetik dauerte bloss fünf Jahre. Lohnt sich eine intensive Beschäftigung mit einer so kurzen Zeitspanne überhaupt?
Mit der Erklärung der Menschenrechte wurde in Frankreich 1789 die Gleichheit der Menschen verkündet. Vorher waren die Menschen während Jahrhunderten in einen bestimmten gesellschaftlichen Stand geboren worden. Aufgrund ihrer Geburt hatten sie sich entweder mit den Nachteilen von Untertanen abzufinden oder genossen die Vorrechte von Adligen. So betrachtet, gehört die Gleichheit, die Egalité, zu den grössten Triumphen der Menschheitsgeschichte. 1798 wurden auch in der Schweiz alle Untertanenverhältnisse beseitigt. Allerdings gingen bereits 1803 und 1815 viele Fortschritte wieder verloren. Die Freiheitsrechte wurden beschnitten, die Demokratie serbelte, die hochfliegenden Pläne zur Volksbildung scheiterten. Aber der Anfang war gemacht. Die Ideen von Freiheit und Demokratie waren in den Köpfen der Menschen, unauslöschlich. Das zeigte sich bei den Volkstagen 1830 und bei der Schaffung des Bundesstaats 1848.


Schon gelesen?

Anzeigen

Zum E-Paper

Lesen Sie unser wöchentlich erscheinendes E-Paper und tauchen Sie ein in spannende Reportagen, Politkrimis und erfahren Sie das Neuste aus Ihrer Gemeinde.

zum ePaper

Meistgelesen

Instagram