«Ned näh! Ned näh!», beschwören die Kinder das Schneewittchen (Svenja Negri), als die böse Königin (Astrid Troxler), als Marktfrau verkleidet, ihm einen Apfel anbietet. Die Hälfte ist vergiftet, Schneewittchen greift zu und fällt. Obwohl die Zwerge es gewarnt haben. Eine Szene, die sinnbildlich ist für die Aufführung des diesjährigen Märchentheaters: Das Publikum, die Kinder, zumeist in Begleitung ihrer Eltern und/oder Grosseltern, werden immer wieder einbezogen, leben und leiden mit, reagieren aber auch spontan, ohne gefragt zu werden.
Die böse Königin will Schneewittchen aus dem Weg räumen
Dabei strotzt das Stück, wie nicht selten in Märchen, von Grausamkeiten, nimmt die Zuschauenden mit durch ein Wechselbad der Gefühle. Mord, Eifersucht, Verrat, Hass, Treue, Flucht sind nicht nur nette Themen. Der Auftrag der bösen, eifersüchtigen Königin, ihre Rivalin in Sachen Schönheit, Stieftochter Schneewittchen, zu töten und ihr zum Beweis ihr Herz zu bringen, bringt die Jägerin (Marusca Beck) in einen entsetzlichen Loyalitätskonflikt, dem sie sich durch Betrug – Wildschweinchenherz als Beweisstück – und Flucht entzieht. Was die eitle Königin zu eigenen Schandtaten verleitet, deren letzte, das vergiftete Apfelstück, zu gelingen scheint. Aber da ist ja noch ein Prinz (Sofia Bründler) auf Brautschau.
Kinder freuen sich auch an den lustigen Rollen
Der Trost der Kenntnis bekannter Märchen: Man weiss, am Ende siegt das Gute über das Infame. Und die Jägerin, auch Erzählerin im Stück, weiss aus eigener Erfahrung, hat sie doch das Messer bereits erhoben gegen Schneewittchen: «Es ist nicht einfach, sich im Leben für das Richtige zu entscheiden.»
Es gibt auch die lustigen Rollen wie jene des Zwergs Pfuusi (Werni Frey) oder jene des Hofmarschalls (Pascal Küng). «Der gefällt mir am besten», sagt die Erstklässlerin Jil Bättig aus Nottwil. Leicht trottelig kommt er daher, mit eigener Logik, indem er die Königin wörtlich nehmen möchte, wenn sie ihm sagt, er solle ihr aus den Augen gehen. «Wir sind zum dritten Mal hier», sagt Vater Armin, «die Kinder sind jetzt im passenden Alter und freuen sich jeweils darauf.» Und sie könnten, weil die Geschichte gut ausgeht, trotzdem gut schlafen, meint seine Frau.
Stimmungsvolles Erlebnis, auch dank Kulissen und Musik
Stimmung macht neben dem Licht und den Kulissen und Requisiten auch die Musik, von Samuel und Heidi Willimann eigens zu den gegebenen Texten arrangiert: mal traurig, mal aufgestellt, stets im Dienste des Geschehens auf der Bühne. Und nicht zu viel davon, in angepasster Länge, wie von Regisseurin Prisca Steiger gewünscht. Samuel Willimann macht auch die Grafik, den Internetauftritt, und das kurze Filmchen zum Einstieg ins Stück ist ebenfalls bei ihm entstanden: «Zuerst hatte ich vor, es mit KI zu versuchen; dann habe ich die Figur gezeichnet und animiert.» Das Freizeitvergnügen des IT-Fachmanns.
Einer der Zwerge hat sich extra einen Bart wachsen lassen
Herausgekommen ist die überzeugende Inszenierung eines Märchens, das der Verein bereits 2001 gespielt hat. Von den bisherigen 17 Aufführungen, in der Regel im Zweijahresrhythmus, das einzige, das eine, wenn auch andere, Zweitinszenierung erlebt. Die damalige Kammerzofe, Prisca Steiger, führt nun Regie; das einstige Schneewittchen, Sophie Hodel, spielt heuer die Kammerzofe, und Werni Frey, damals Zwerg Zottel, gibt dieses Jahr den Zwerg Pfuusi. «Den Bart habe ich mir extra für diese Rolle wachsen lassen», lacht er. Was zeigt, wie ernst er seine lustige Rolle nimmt.