Alexander Hug besuchte vergangene Woche seine alte Heimat Sursee. Foto Thomas Stillhart
Alexander Hug besuchte vergangene Woche seine alte Heimat Sursee. Foto Thomas Stillhart
17.03.2019

Das internationale Parkett bleibt seine Welt

Fünf Jahre lang protokollierte der gebürtige Schenkoner Alexander Hug als stellvertretender Missionschef der OSZE* in der Ukraine die Waffenstillstandsverletzungen. Jetzt lebt er wieder bei seiner Familie in Den Haag und bereitet sich auf neue Aufgaben vor.

Sieben Stunden schläft Alexander Hug derzeit. Entsprechend hellwach erzählte der 46-Jährige an Aschermittwoch bei zwei Kaffees eine Stunde lang über seine fünfjährige Zeit in der Ukraine, in der er jeweils nur vier Stunden schlafen konnte. «Es dauerte lange, bis ich den Kurzschlafrhythmus auskurierte», ist eine Aussage, die sein international beachtetes Engagement charakterisiert. «Dieser Rhythmus hielt sieben Tage in der Woche an, weil der Krieg nie aufhört.» Glücklicherweise schlief der gelernte Jurist gut ein – in den Ohren seine Mutter, die ihm auf den Weg gab: «Solange man gut einschlafen kann, hat der Stress die Oberhand nicht gewonnen.»

Bis im Sommer hat Hug Zeit

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Die Familie steht nun an erster Stelle. In den vergangenen Jahren kam sie zu kurz, «aber ich habe alle Geburtstage meiner Familie in Holland miterlebt.» Bis im Sommer möchte sich Alexander Hug Zeit nehmen, bis er wieder eine fixe Anstellung annimmt. «Ich sehe mich noch einmal in einer ähnlichen Rolle, da ich wahrscheinlich die Energie hätte, das noch einmal zu machen.» Einem Job in den Hauptquartierstädten Genf, New York, Wien oder Den Haag wäre er jedoch nicht abgeneigt. Dort könnte er mit der Familie zusammenwohnen.

In den vergangenen fünf Jahren in Kiew blieb ihm, dem stellvertretenden Missionschef der OSZE*, das verwehrt, weil die Eltern den Kindern ein stabiles Umfeld ohne stetige Umzüge bieten wollten. Der Besuch Hugs in Sursee gründete auch in der Familie. Er besuchte Vater, Mutter und eine Schwester in Beromünster, nachdem er für wichtige Gespräche in Bern war.

«Es geht um politische Macht»

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Bewusst hat Alexander Hug Urlaub, tingelt dennoch zwischen Den Haag, Bern, Berlin, Sursee und Übersee. Er hält Vorträge, Vorlesungen, berät, gibt seine Erfahrungen weiter. Die Frage «Wie verhandelt man einen Waffenstillstand?» beantwortet der Krisengestählte aus dem Stegreif. Das internationale Parkett bleibt seine Welt. «Ich bin relativ naiv in die internationale Arbeit eingestiegen und dachte, jeder Konflikt lässt sich einigermassen einfach lösen», bekennt er. Die Realität sah anders aus. Er lernte, dass nicht alle Entscheidungsträger mit gutem Willen verhandeln. «Es geht um politische Macht und Einfluss. Geld ist ein Bestandteil davon.» Nicht alle Verhandlungspartner würden gleich ticken.

Fünf Jahre lang lief Alexander Hug mit einer Schussweste und Helm umher. Sein Tätigkeitsgebiet in der Ukraine war eine Mammutaufgabe: Er leitete bis zu 1400 OSZE-Mitarbeiter, verhandelte mit hochrangigen Regierungsvertretern, las in den Morgenstunden Berichte und segnete sie ab, vertiefte seine Sprachkenntnisse, sprach mit Einheimischen, jettete für zwölf Stunden zu seiner Familie, beantwortete Fragen der Medien, stand im Kreuzfeuer der Kritik aller Konfliktbeteiligten, übernachtete in Hotels, lebte in Gefahr.

Politisierte und polarisierte Lage

Um diese Aufgabe zu bewältigen, sind viele Eigenschaften nötig. Alexander Hug nennt als erstes ein gewisses Flair, mit Leuten umzugehen. «Dann muss man auch wegen der hoch politisierten und polarisierten Lage mit heftiger Kritik umgehen können.» Eine harte Haut brauche es. Und die Kultur sowie die Sprache müsse man verstehen. Er spreche nicht fliessend Russisch oder Ukrainisch, aber verstehe ziemlich viel.

Ausdauerkraft und Durchstehvermögen seien unabdingbar. «Die Tage waren lang, die Nächte kurz», kommt er nochmals auf das eingangs erwähnte Schlafmanko zu sprechen.

Alle Konflikte enden irgendwann

Warum nimmt ein Mensch solche Strapazen in Kauf? «Mein Antrieb war, dass ich wusste, eine Lösung ist möglich – vor allem bei diesem speziellen Sachverhalt, wo es rein politisch ist», erklärt er und ist überzeugt: «Es braucht relativ wenig, um zumindest den Kriegshandlungen ein Ende zu setzen. Alle Konflikte enden irgendwann.» Danach folge jedoch ein ganzer Rattenschwanz von Problemen, wie etwa die Aufgabe, die wirtschaftlichen und sozialen Zerstörungen wieder aufzubauen.

Tod und Verwüstung begleiteten Alexander Hug im Krisengebiet. «Es wäre gelogen, wenn einem das nicht nahe gehen würde», sagt er. Mit Debriefings, viel reisen und Sport treiben versuchen die OSZE-Mitarbeiter diesen Erlebnissen zu begegnen. Im Gespräch lacht er wenig, Spuren der Zeit in der Ukraine bleiben hinter der diplomatischen Maske verborgen. Während der Zeit vor Ort konzentrierte er sich auf den Auftrag der Mission und fasst zusammen: «Die Aufgabe ist es nicht, den Konflikt als solchen einzustellen, sondern unterstützend mitzuwirken, und zwar in diesem speziellen Fall durch das Bereitstellen von objektiven Fakten und das Bereitstellen von Möglichkeiten zum Dialog.»

Den Konflikt eingedämmt

Diese Kernbotschaft musste er der leidenden Bevölkerung wiederholt erklären. Viele meinten, die OSZE bringe Frieden, dabei hatte die Mission einen Beobachterauftrag. Hug schliesst: «Ich behaupte, dass unsere Mission den Konflikt zumindest eindämmte, und er sich nicht weiter ausbreitete.»

*OSZE: Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.


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