09.09.2018

Das Surental entstand in der letzten Eiszeit

Am Dienstag sprach der Geologe Roger Zurbriggen an der GV von «NaturRaum Oberer Sempachersee» in Neuenkirch über die regionale Geologie. Das Surental ist geologisch gesehen in jüngerer Zeit entstanden.

Der Vortrag startete draussen, wo sich auch die Geologie abspielt. Denn der Zufall wollte es, dass in der Baugrube des benachbarten Lippenrüti-Parks kürzlich eine 20-köpfige Findlingsfamilie entdeckt wurde. «Bei den beiden Grössten handelt es sich um einen Hochgebirgskalk und einen Granit aus den Zentralalpen, wie sie typisch sind für die Findlinge des Surentals», erzählte Roger Zurbriggen, der auch Kantonsrat ist.

Das Surental ist jung
Nach diesem feldgeologischen Auftakt liessen sich die Anwesenden vom Referenten durch 540 Millionen Jahre Erdgeschichte mitnehmen. Zurbriggen begann mit den geologisch jüngsten Ereignissen, den Eiszeiten. Dabei sprach er vor allem von zweien, der Letzten und der Grossen. Die Spuren der Grossen Eiszeit finde man nur noch als Reste auf den Hügelzügen rund um den Sempachersee. Etwa östlich von Kulmerau hoch über dem Surental, wo alte Schotter überlebt hätten. «Kein Wunder, denn das heutige Surental entstand erst während der letzten Eiszeit, als der Reuss- und Brüniggletscher die Sandsteine des Felsuntergrundes herausschliffen», fügte er an. Es sei demnach nicht so alt. Während der Letzten Eiszeit (bis vor ca. 17’000 Jahren) reichten die Gletscher wieder bis ins heutige Mittelland. Viele Moränen und Findlinge in der Region zeugen davon.

Napfgold kommt aus dem Wallis
«Die Sandsteine selber erzählen eine viel ältere Geschichte, als die Alpenbildung vor etwa 30 Millionen Jahren voll im Gang war.» Besonders interessant sei, dass die damaligen Ablagerungen von Sand und Geröll (heute sind dies fossilführende Sandsteine und Nagelfluh) mit der Heraushebung des Gebirgskörpers zusammenspielten. Die jüngsten Forschungsarbeiten von Professor Fritz Schlunegger zeigen, dass die grossen Nagelfluhberge Rigi und Napf mit einer schnellen Hebung des Gotthards und Simplons entlang einer Erdbebenzone im Südtessin zu tun hatten. Mit einem Augenzwinkern verriet der Referent an dieser Stelle, dass das Napfgold somit eigentlich aus dem Wallis stamme.


Dann widmete sich Zurbriggen nochmals den Findlingen. Diesmal ging es nicht um ihre eiszeitliche Reise ins Surental, sondern um ihre Geologie. Diese Geschichte reicht weit vor die Entstehung der Alpen und erzählt von Superkontinenten. Ein solcher entstehe, wenn sich mehrere Kontinente zu einer grossen Landmasse versammeln. Die Findlinge erzählen von zwei Superkontinenten, Pangäa, der vor 320, und Gondwana, der vor 540 Millionen Jahren das Gesicht der Erde prägte.

540 Mio. Jahre alte Findlinge
Die Kalkstein-Findlinge, respektive die Kalksteine in den Alpen (auch die des Pilatus), von wo die Findlinge stammen, entstanden als Kalkschlamm im Tethysmeer vor 250 bis 50 Millionen Jahren. Dieses Tethysmeer flutete den Superkontinent Pangäa und liess ihn ertrinken und auseinanderbrechen.

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«Die Granit-Findlinge sind ca. 300 Millionen Jahre alt und erzählen, wie es zur Bildung von Pangäa kam», erklärte Zurbriggen. Die Entstehung der ganz Alten, der Gneis-Findlinge, beschreibe die Entstehung des südeuropäischen Kontinents. «Es ist die Geschichte vom Superkontinent Gondwana, der damals auch die Bedingungen schuf, dass auf unserem Planeten mehrzellige Tiere entstehen konnten.» Es gebe seltene Findlinge im Surental, Paragneise und Migmatite, die aus dem Schlamm entstanden sind, worin vor 540 Mio. Jahren die ersten mehrzelligen Tiere wühlten.

Geschieht ein Massensterben?
Die Entwicklung des Lebens auf der Erde hatte mehrere katastrophale Brüche, wo Massensterben stattfanden. Die Geologen kennen insgesamt fünf grosse Massensterben. Man erkennt sie daran, dass die Vielfalt an Fossilien in einer älteren Schicht in der darüber liegenden Schicht nicht mehr vorhanden ist. Das bekannteste Massensterben ist jenes der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren. «Wenn sie den Pilatus anschauen, so sehen sie diese Zeitgrenze zwischen dem Klimsenhorn und dem Oberhaupt.»


Diese Massensterben lägen hinter uns, fuhr Roger Zurbriggen fort. Die schlechte Nachricht sei aber, dass sich heute vermutlich ein sechstes Massensterben abzuzeichnen beginne. Es gebe Untersuchungen, die das tägliche Verschwinden von Pflanzen- und Tierarten als Massensterben interpretieren würden. «Wenn man diese Zahlen hochrechnet und in die Zukunft prognostiziert, dann könnten wir, geologisch gesehen, uns in einer neuen Schicht befinden, wo wir in Zukunft viel Mikroplastik und darüber nur noch wenige Fossilienarten finden werden.» Der Vortrag endete aber mit einer froheren Botschaft: «Freuen Sie sich an unserer einmaligen Landschaft mit ihren eiszeitlichen Boten.»

Findlinge erzählen Geschichten
Zum Schluss sprach der Referent noch eine Bitte aus: «Wenn Sie Findlinge in Erdaushüben finden, transportieren Sie sie bitte nicht einfach weg, sondern verwenden Sie sie zur Gestaltung der dortigen Umgebung. Denn ein Findling kann seine Geschichte nur an seinem Fundort erzählen.»


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