Carmela Esposito (links) und Seraina Troxler sind seit sechs Jahren ein Paar. (Foto zvg)
Carmela Esposito (links) und Seraina Troxler sind seit sechs Jahren ein Paar. (Foto zvg)
02.09.2021

Ehe für alle: «Mit jedem Formular outest du dich»

von Livia Kurmann

Heiraten und gemeinsam eine Familie gründen ist ein Wunsch, den Seraina Troxler und Carmela Esposito seit jeher hegen. Im Gespräch mit dieser Zeitung erzählen sie, was die kommende Abstimmung für sie bedeutet.

Seit sechs Jahren sind die Hildrisriederin Seraina Troxler (24) und Carmela Esposito (21) aus Beromünster ein Paar. Kennengelernt haben sich die beiden im Unihockeyclub Beromünster, wo Seraina Troxler einst als Goalie einsprang. Aufgrund des Studiums wohnen die beiden in Bern. Carmela Esposito studiert Biochemie und Seraina Troxler arbeitet als Sozialpädagogin. Für die beiden ist die Abstimmung vom 26. September eine emotionale Angelegenheit, hat doch der Ausgang der Abstimmung einen starken Einfluss auf ihre Zukunftspläne.

Mit einem Ja zur «Ehe für alle» würden Sie heterosexuellen Paaren rechtlich gleichgestellt. Was geht momentan in Ihnen vor? 

Seraina Troxler: Man hofft natürlich, dass die Vorlage angenommen wird. Gleichzeitig sind da Angst und Unsicherheit, wenn man darüber nachdenkt, was ein «Nein» für einen bedeuten würde. Alle Pläne, die man gemeinsam macht, sind davon abhängig.

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Carmela Esposito: Dass die ganze Schweiz über dich abstimmen kann, macht einen schon nervös.

Haben Sie schon mal an Heirat gedacht?

Seraina Troxler: Für uns beide war immer klar, dass wir einmal heiraten und Kinder haben wollen. Ein Kollegenpärchen von uns hat vor Kurzem ein Kind bekommen, seither weiss ich, dass ich wirklich ein Kind haben will. Weil es etwas so Schönes ist.

Carmela Esposito: Wir beide haben auch immer unsere jüngeren Cousins gehütet. Einmal eine eigene Familie mit Kindern zu haben, gehört für uns dazu.

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Seraina Troxler: Ich habe mich auch schon damit auseinandergesetzt, wie das überhaupt funktionieren würde. Dabei habe ich festgestellt, dass es nur schon ein grosses, finanzielles Projekt wäre, schwanger zu werden. Man müsste beispielsweise nach Kopenhagen fliegen, und das mehrmals, da es mehrere Abklärungen braucht. Nach der Schwangerschaft müsste die Partnerin das Kind dann noch adoptieren.

Warum reicht eine eingetragene Partnerschaft nicht?

Carmela Esposito: Wir wollen heiraten wegen all der rechtlichen Aspekte, die damit verbunden sind. In einer eingetragenen Partnerschaft gibt es viele rechtliche Aspekte, die nicht geklärt sind. Beispielsweise was finanziell passiert, wenn sich ein Paar trennt. Diese Dinge kann man zwar organisieren, aber es ist viel komplizierter, und man muss an alles denken. Wir kennen aber auch viele Kollegenpärchen, die heiraten und ein Fest feiern. Das wollen wir auch. Wir wollen nicht sagen, wir sind in einer eingetragenen Partnerschaft. Das klingt unromantisch und trocken.

Seraina Troxler: Und wenn im Pass «eingetragene Partnerschaft» steht,  dann kannst du nicht mehr in gewisse Länder reisen. Wir würden beispielsweise nie nach Dubai reisen, weil wir nicht wüssten, was dann passiert.

Carmela Esposito: Bei jedem Formular, das du ausfüllst, ist auch automatisch ein Outing mit dabei. Weil du beim Zivilstand eintragen musst, dass du in einer eingetragenen Partnerschaft lebst. Wir wollen einfach «verheiratet» ankreuzen. Es geht niemanden etwas an, mit wem.

Seraina Troxler: Es ist einfach nicht das Gleiche. Ich verstehe nicht, warum man das trennen muss. In der Verfassung steht, jeder Mensch ist vor dem Gesetz gleich – ausgeschlossen sind jedoch die 500’000 homosexuellen Menschen.

Gibt es etwas an der Diskussion zur Abstimmung, dass sie wütend macht, bzw. das sie nicht verstehen?  

Seraina Troxler: Für mich sind viele Gegenargumente schwierig zu verstehen, da sie weder Hand noch Fuss haben. Die häufigsten Argumente, die ich höre, betreffen das Kind. «Ein Kind braucht Mutter und Vater.» Da muss ich sagen, es gibt so viele Kinder, die von Alleinerziehenden aufgezogen wurden und denen es gut geht. Und wenn es ihnen nicht gut geht, dann liegt das mehr daran, dass der Elternteil viel arbeiten muss. 

Carmela Esposito: Was mich stört, ist, wenn jemand argumentiert, dass die Samenspende unnatürlich ist. Warum ist eine Samenspende bei einem heterosexuellen Paar natürlich und erlaubt, bei uns aber nicht? Das finde ich schade.

Seraina Troxler: Die Grenzen werden willkürlich gezogen. Es ist okay, wenn Mütter alleinerziehend sind, aber es geht nicht, dass zwei Mütter ein Kind haben. Als heterosexuelles Paar ein Kind zu kriegen, ist einfach. Man muss nicht mal ein Paar sein, es kann einfach so passieren. Aber ein homosexuelles Paar, das sich die Kinderfrage gut überlegt, plant und ein langes Prozedere in Kauf nehmen muss, das ist nicht okay. Damit habe ich Mühe.

Oftmals wird auch mit dem Kindeswohl argumentiert ...

Carmela Esposito: Ein gleichgeschlechtliches Paar überlegt sich gut, ob es Kinder möchte. Der Aufwand und die Kosten sind gross, man muss durch viele verschiedene Stadien hindurch. Wenn man das alles auf sich nimmt, dann wünscht man sich das Kind auch wirklich.

Seraina Troxler: Für ein Kind ist am wichtigsten, dass es ein sicheres Zuhause hat und dass es geliebt wird. Und nicht, ob es ein männliches Vorbild hat. In unserer Generation war es noch so, dass der Vater immer 100 Prozent gearbeitet hat. Als Kleinkind hat man diesen dann auch nicht oft gesehen. Ein Kind braucht vor allem ein sicheres Umfeld, jemanden, der zu ihm schaut, jemanden, der es so akzeptiert, wie es ist. Gerade in diesem Punkt sind homosexuelle Paare fast noch stärker, da sie oft selber viel Inakzeptanz erlebt haben.


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