06.12.2020

Hubi und Kilian Sigrist berühren im Dok-Film

von Thomas Stillhart

Hubi ist seit einem Töffli-Unfall schwerbehindert. Sein Bruder Kilian kommuniziert mit ihm auf eine besondere Weise. Die Beziehung unter ihnen stand jedoch vor einem Scheideweg. 

Kilian Sigrist spaziert in Triengen einem Maisfeld entlang, die Kamera ist nahe auf seinen Kopf gerichtet. So beginnt der Dokumentarfilm «Unsere besonderen Brüder» von Regisseurin Romana Lanfranconi, der SRF1 am Donnerstag, 17. Dezember, um 20.05 Uhr zeigt. Die 50 Minuten mit drei Männern mit aussergewöhnlichen Eigenschaften passen in die Adventszeit. 

Plötzlich einfach fort

Der 48-jährige Kilian Sigrist – in Triengen auch bekannt als ehemaliger Gemeinderat – blickt 32 Jahre zurück: «Hubi wurde damals, 1988, als er seinen Unfall hatte, mitten aus meinem Leben gerissen. Wir hatten ein gemeinsames Zimmer. Von einem Tag auf den anderen war er einfach fort.» Hubi ist drei Jahre jünger als Kilian. Beide sind Nachzügler. Im Jahr des Unfalls stand Kilian Sigrist gerade am Anfang seiner Lehrzeit. 

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««Wir hatten trotzdem eine Kommunikation auf einer anderen Ebene als der Sprache.»»
Kilian Sigrist, Bruder von Hubi aus Triengen

«Einfach fort» heisst, dass sein Bruder mit 13 Jahren einen Töffli-Unfall hatte, der sein Hirn so schwer schädigte, dass er nicht mehr reden konnte und bald in einer Wohngruppe in Sichtdistanz zum Elternhaus Unterschlupf fand. «Wir hatten trotzdem eine Kommunikation auf einer anderen Ebene als der Sprache», erklärt Kilian Sigrist und bekennt auch: «Mir ist jetzt erst bewusst geworden, dass ich dadurch auf ein emotionales Abstellgleis geriet.» 

Der Halbmarathon des Lebens

Regisseurin Romana Lanfranconi verwebt die Geschichte von Hubi und Kilian mit zwei anderen, genauso berührenden Geschwister-Geschichten: Die jungen Schwestern Fränzi und Debby leben in Zürich, helfen jedoch oft ihren Bruder Beni, der im Raum Luzern wohnt. Fränzi und Beni laufen gemeinsam den Halbmarathon Luzern, was auch auf die Lebenssituation zutrifft. Beni möchte aus seiner betreuten WG ausziehen und eine eigene Wohnung beziehen.  

Richard inspiriert seine Schwester Margrith, obwohl sie ihre eigenen Bedürfnisse ein Leben lang zurücksteckte. Die Schwester bringt ihre lebenslange Beziehung zum kindlich gebliebenen Richard auf Papier. Eine der tollsten Szene im Film ist, wie Richard in einer Kirche «Oh Tannenbaum» singt und «Gegrüsst seist Du Maria» betet. 

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Mit dem Film zur Reflexion

Im Gespräch mit dieser Zeitung lobt Kilian Sigrist Regisseurin Romana Lanfranconi in den höchsten Tönen. «Die Geschichten fliessen wunderbar ineinander. Das Ende kommt nicht traurig rüber.» Ihm habe die Zeit mit dem Filmcrew die Gelegenheit geboten, die Beziehung zu Hubi nochmals zu reflektieren. 

Romana Lanfranconi empfand die Zusammenarbeit mit dem Trienger Brüderpaar sehr positiv. Sie streicht die vom ersten Treffen im Stadtcafé erfahrene Offenheit von Kilian und Hubi heraus.  

Vor einem Jahr

Am 20. Dezember 2019 – mitten in den Drehphase – stirbt Hubi an einer Lungenentzündung. «Völlig unerwartet», erzählt Romana Lanfranconi. In Dokumentarfilmen würden immer unerwartete Sachen passieren. «Ich habe kein fixes Drehbuch, aber einen Bogen, wie ich die Geschichten erzählen möchte.»

Im Film besucht Kilian Sigrist das Krankenhaus. «Ich habe ihm lange die Hand gehalten. Fast die ganze Zeit. Ihn zu begleiten, da zu sein für ihn, hat mir Kraft geben», erzählt er. Es kam der Moment, wo Hubi das letzte Mal einatmete. 

Fast ein Happy-End

Kilian packt im Zimmer mit Christbaum die Sachen von Hubi zusammen. Im Hintergrund singt Heidy Happy «Oh brother, look at all these colors you left her, just by leaving quietly»* und Kilian zieht ein Fazit:  «Hubi hat unsere Familie drei Jahrzehnte zusammengekittet. Jetzt liegt es an uns.» Er zündet in einer Kirche eine Kerze an.  


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