«Dinge, die uns beschäftigen, sind oft nicht einfach in Worte zu fassen»: Giuseppe Corbino über den Tod. Foto Gregor Gander
«Dinge, die uns beschäftigen, sind oft nicht einfach in Worte zu fassen»: Giuseppe Corbino über den Tod. Foto Gregor Gander
23.11.2018

Sursee: «Sich vom Tod nicht erdrücken lassen»

Philosoph Giuseppe Corbino lud am Donnerstagabend zum Austausch über das Thema «Tod – Ende oder Neubeginn?» im Kloster Sursee. Im Interview spricht er über die Angst vor dem Tod, weshalb wir so ungern über ihn sprechen und warum wir trotzdem über den Tod lachen sollten.

Giuseppe Corbino, haben Sie Angst vor dem Tod?

(Überlegt) Ja, der Tod lässt mich nicht kalt. Wobei es mehr das Sterben als der Tod ist, wovor ich mich fürchte. Den Tod selber empfinden wir ja nicht: Ist es vorbei, ists vorbei. 

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Sprechen wir zu wenig über den Tod?

Gesellschaftlich ist der Tod immer wieder präsent. In den Medien, bei Naturkatastrophen, im Krieg. Doch das Sprechen über den Tod ging uns verloren. Eine ausgeprägte Kultur des Sprechens über den Tod nehme ich nicht wahr. Verständlich aber, zumal der Tod ja keine angenehme Angelegenheit ist.

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Wieso spricht die Gesellschaft so ungern über den Tod?

Dass es den Menschen schwerfällt, über den Tod zu sprechen, ist nachvollziehbar. Im eigenen Dasein ist der Tod ein radikaler, unwiderruflicher Einschnitt. Dies in Worte zu fassen, damit umzugehen, fällt vielen schwer. Vielleicht ist es auch das Streben der Gesellschaft nach Jugendlichkeit, das Tod und Gebrechen ausklammert.

 

Verschwindet die Angst vor dem Tod, wenn man über ihn spricht?

Dinge, die uns beschäftigen, sind oft nicht einfach in Worte zu fassen. Gibt man ihnen Raum, werden sie fassbar, sind sie zu bewältigen. Sich über das Erlebte auszutauschen, hilft auch in Zeiten, in denen man um Verstorbene trauert.

 

Was sagt die Philosophie zum Tod?

In der Vergangenheit hat sich die Philosophie stets mit zwei zentralen Fragen beschäftigt. Erstens: Was kommt nach dem Tod? Zweitens: Wie soll ich mein Leben leben angesichts des Umstands, dass ich irgendwann sterben muss? Umso mehr wir uns historisch in der Neuzeit befinden, umso stärker beschäftigt sich die Philosophie mit der zweiten Frage.

 

Wie sieht der theologische Zugang zum Tod aus?

Auch in der Theologie gibt es vermehrt Ansätze, die sich mit dem Jetzt, dem Diesseits beschäftigen. Doch für die Theologie ist klar: Der Tod ist Neubeginn, nicht Ende. Die Auferstehung Jesu bezeugt, dass es weitergeht.

 

Was macht die Erkenntnis, dass wir sterblich sind, mit uns?

Sie macht, dass der Mensch bewusster lebt. Dass seine Entscheidungen, seine Handlungen mehr Gewicht und einen gewissen Ernst haben. Die Tatsache, dass ich weiss, dass es irgendwann fertig sein wird, bewahrt mich vor gänzlich kopflosem, wahllosem Handeln.

 

Gibt es einen schönen Tod?

Keinen schönen, doch vielleicht einen guten Tod. In der religiösen wie in der philosophischen Tradition kennt man die Kunst des guten Todes. Zum guten Tod gehört, dass man sich auf ihn vorbereiten kann. Dass man nicht alleine ist, sondern unter Mitmenschen, wenn man gehen muss. Dass man sich versöhnen kann.

 

Wieviel Humor braucht es angesichts des Todes? Soll man über ihn lachen können?

Unbedingt (lacht). Es braucht sogar sehr viel Humor. Natürlich weniger in der unmittelbaren Situation des Sterbens, sondern vielmehr in der Reflexion darüber. Humor entlastet, zwingt einem neue Blickwinkel auf. Wenn man mit Humor über schwere Themen spricht, verlieren sie an Gewicht. Vom Tod sollte man sich nicht erdrücken lassen.

 

Giuseppe Corbino hat Philosophie und Theologie studiert. Als freischaffender Philosoph und Religionspädagoge ist er unter anderem für die Pfarrei Sursee tätig.


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