Intimsphäre? Fehlanzeige. Dann lieber in die Badi am Sempachersee. Foto Keystone/Caro/Goettlicher
Intimsphäre? Fehlanzeige. Dann lieber in die Badi am Sempachersee. Foto Keystone/Caro/Goettlicher
28.06.2018

Seien Sie kein Früchtchen!

Sommerferien – wie schön! Nachstehend 26 ABC-Gründe, weshalb Sie doch lieber Ferien auf Balkonien machen sollten – oder am Sempachersee.

Apotheke. Haben Sie an Pflästerli gedacht? Notfalltropfen und Fieberthermometer dabei? Sonnencreme, Selbstbräuner und Antibrumm eingepackt? Etwas gegen Husten, Fieber, Sonnenstich, Malaria und Masern-Mumps-Röteln? Sehr gut. Die Chance, dass Ihr Gepäck in einem anderen Land auf einem anderen Kontinent ankommt als Sie, ist gross.

Buffet. Zeit, die guten Manieren hinter sich zu lassen. Ein Tipp: Mit ausreichend Ellbogen-Einsatz gelangen Sie als erstes an den zarten Rinderbraten. Und dann hauen Sie rein. Und zwar richtig. Keine Angst: Wer meint, Toast Hawai, Chicken Nuggets und Chateaubriand würden nicht zusammenpassen, hat noch nie einen Blick in den Guide Michelin geworfen. Und vergessen Sie auch die 1-Teller-pro-Gang-Regel, Sie machen sich lächerlich. Nur Stümper wagen den Gang zum Schlachtfeld mehr als einmal.

Camping. Ein Hauch von Abenteuer. Vermeintlich. Abenteuerlich ist nur der Grill Ihres deutschen Nachbarn, der bereits zum zweiten Mal explodiert und die schlingernden Tänze der Erwachsenen in der Minidisco. Weshalb zum Teufel tun Sie sich das an?

Durchfall. Ist scheisse. Punkt. Aber hey, immerhin haben Sie nach den Ferien weniger Kilos auf den Rippen als vor den Ferien – kann nicht jeder von sich behaupten.

Erwartungen. Im Grundsatz: Erwartungen verhalten sich umgekehrt proportional zur Realität. Meine Empfehlung: Erwarten Sie so wenig wie möglich von Ihren Ferien, und Sie verbringen die Zeit Ihres Lebens. Ja, «Blick aufs Meer» ist Interpretationssache. Ja, die Liegestühle sind eher Stühle als Liegen. Ja, auch Kinder bleiben in den Ferien Kinder. Und ja, so viel Sex, wie Sie sich vorab ausmalten, werden Sie nicht ansatzweise haben. Dafür Ihren Seelenfrieden. Zumindest für eine Woche.

Fotos. Lassen Sie Ihre Freunde und Follower auf Twitter, Instagram und Facebook wissen, dass Sie Ferien machen. Wiederholt. Geizen Sie auch nicht mit Filtern und Hashtags, Sie sind schliesslich ein Kosmopolit. Nein, nicht der Drink. #travelporn #jetsetlife #tripstagram.

Gastfreundschaft. Sollten Sie wider besseren Wissens verreisen: Geniessen Sie sie. Sie sind bald wieder in der Schweiz.

Hypochonder. Personen, die ungefragt und mit Nachdruck Hygienemasken im Flugzeug verteilen und dabei aussehen, als stünden sie selbst kurz vor dem Exitus.

Intimsphäre. Wird bei der Fleischschau am überfüllten Strand im Sekundentakt verletzt. Siehe Foto.

Jetlag. Unerfreuliche Nebenwirkung der Vorstellung, an entfernteren Gestaden könnte es ruhiger, schöner, entspannter – you name it – sein.

Kinderfreundliches Hotel. Es gibt einen Grund, weshalb die so heissen. Und ein Dutzend mehr, einen grossen Bogen darum zu machen.

Liegestuhl. Objekt der Begierden und Sehnsüchte, am Pool des Hotelbunkers auf Mallorca wie auch am Goldstrand in Bulgarien. Selten so bequem, wie er aussieht, was dem täglichen Run da­rauf keinen Abbruch tut. Am besten morgens um 6 Uhr mit einem hoteleigenen Badetuch reservieren, danach wieder ab ins Bett.

Mücken. Zugegeben: lästige Biester. Zum Glück haben Sie an alles gedacht (vgl. Buchstabe A). Nur: Das Antibrumm wartet auf Mykonos, Sie heilanden derweil im hohen Norden Skandinaviens.

Nonchalance. Oft missverstanden, oft ad absurdum geführt, gerade bei der Schickeria. Äussert sich im Tragen von Badehosen und im Zeigen von Brusthaar im noblen Fischrestaurant.

Opaschowski. Unter der dünnen Glitzerschicht seien Ferien ein psychologisch «hochkonfliktärer Bereich», meint der deutsche Freizeitforscher Horst W. Opaschowski. Nehmen Sie den Mann beim Wort, Konflikte haben Sie in Ihrem Leben wahrlich schon genug.

Putzen. Vor den Ferien: Warum?

Quallen. Aus irgendeinem Grund stehen die Schilder dort – und jetzt hat es sie. Zwei Möglichkeiten: Entweder Sie sind ausgerüstet (vgl. Buchstabe M). Oder Sie pinkeln drauf. Das nützt, glauben Sie mir.

Reiseführer. Wird meistens zum ersten Mal im Flugzeug oder Hotelzimmer konsultiert. Machen Sie sich nichts draus: Die Shortlist mit den touristischen Hotspots reicht Ihnen voll und ganz. Es geht Ihnen ja nicht etwa da­rum, Land und Leute mit all ihren Facetten kennenzulernen, oder? Eben. Vergessen Sie auch die Knigge-Regeln im Anhang: So unterschiedlich können «les arts de vivre» in Knutwil, Schweiz, und Churaibat as-Suq, Jordanien, nicht sein. Bei Verständigungsproblemen hilft: lächeln, nicken, Augenzwinkern.

Sonnenbrand. Einige Faustregeln: Schon braun gebrannt? Sonnenbrand unwahrscheinlich. Liegen Sie im Schatten? Sonnenbrand unwahrscheinlich. Befinden Sie sich im Wasser? Sonnenbrand unwahrscheinlich. Selbstbräuner aufgetragen? Sonnenbrand unwahrscheinlich. Haben Sie sich trotzdem einen Sonnenbrand eingefangen? Selbst schuld.

Tripadvisor. «Das Personal weiss, dass Sie sowieso nie wiederkommen, und so werden Sie auch behandelt. Das Gleiche gilt für die Sauberkeit und den Standard der Zimmer. Eines noch: Wenn Sie es lieben, jede (wirklich jede) Nacht vom Feueralarm geweckt zu werden, sind Sie hier richtig.» Muss ich mehr dazu sagen?

Umweltverträglichkeit. Nicht überbewerten. Apropos: Haben Sie gewusst, dass Sie bis zu 60 Prozent sparen können, wenn Sie von Zürich nach Madrid via Budapest und Kaliningrad fliegen, dort einen 24-Stunden-Halt einlegen und am nächsten Tag die frühste Propellermaschine chartern? Schöner Nebeneffekt: Die Bonusmeilen finanzieren Ihnen den Dom Perignon in Ihrem Vielfliegerclub.

VW-Bus. Dem «Bulli» haftet die Aura vergangener Tage an: ein bisschen Freiheit, ein bisschen Woodstock, ein bisschen Sonnenuntergangsromantik. Aber auch: ein bisschen heisse Kunstledersitze, ein bisschen hoher Mostverbrauch, ein bisschen anfällige Kupplungen, die beim Überqueren der Alpen früher den Geist aufgeben als Hannibals Elefanten.

Weihnachten. Ähnlich befrachtet mit Erwartungen wie Ihre Ferien. Der Vorteil: Beidem können Sie aus dem Weg gehen.

Xenophil. Müssen Sie sein, sonst verbrächten Sie Ihre Ferien auf Balkonien.

YMCA. Ein unsäglicher Ohrwurm, oft zu hören in Minidiscos (vgl. Buchstabe C). In diese Kategorie fällt übrigens auch der Klassiker «Veo Veo» sowie das verhunzte deutsche Pendant «Theo Theo». Ja, googeln Sie ruhig. Aber sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.

Zitronenprint. Der letzte Schrei in diesem Sommer. Oder war das 2017? Oft zu sehen an grau melierten Herren mittleren Alters. Egal, ob Leinenhemd oder Badehose: Lassen Sie es sein. Sie sehen nicht fruchtig-frisch aus, sondern wie ein Früchtchen.


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