Lokalzeitungen versorgen die Kapillaren der Gesellschaft mit demokratierelevanten Nachrichten. (Foto Dominique Moccand)
Lokalzeitungen versorgen die Kapillaren der Gesellschaft mit demokratierelevanten Nachrichten. (Foto Dominique Moccand)
29.01.2022

Kommentar: Mediengesetz ist weder Fisch noch Vogel, aber überlebenswichtig

von Dominique Moccand

Das Medienpaket spaltet selbst die Medienschaffenden. Es ist ein Kompromiss, aber auch eine Chance. Denn die Alternativen – vor allem im Kanton Luzern – sind mager.

Pa-pling! Ein Mail ploppt auf in meinem Posteingang, als ich diese Zeilen schreibe. Absender: der Luzerner Regierungsrat. Er nimmt Stellung zu einer Anfrage von SP-Kantonsrätin Anja Meier (Willisau). Wie der Regierungsrat die Medienvielfalt im Kanton Luzern beurteilt, will Meier wissen. Was die Folgen sind für den Kanton, wenn das Volk das Medienpaket am 13. Februar bachab schickt. Und ob die Regierung von sich aus aktiv wird, um vielfältigen Regional- und Lokaljournalismus im Kanton Luzern zu unterstützen.

Was antwortet der Regierungsrat? «Insgesamt ist im Kanton Luzern die Informationsvielfalt heute auf einem hohen Niveau gewährleistet und für die Bevölkerung gut zugänglich», hält er fest. Aber auch: «Die Finanzierung der Luzerner Medienlandschaft in ihren heutigen Strukturen und mit ihren heutigen Angeboten ist mittelfristig nicht gesichert.» Gründe sieht der Regierungsrat im Abwandern des Werbemarkts zu grossen Internetkonzernen wie Google und Facebook, aber auch in der sinkenden Zahlungsbereitschaft des Publikums und den damit verbundenen rückläufigen Auflagezahlen der Medienhäuser.

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«Wird die Vorlage am 13. Februar abgelehnt, geht ertragsschwachen Luzerner Medienunternehmen schneller der Schnauf aus. Weniger Berichte über das lokale und regionale Geschehen heisst: weniger zuverlässige und rechenschaftspflichtige Quellen für die politische Meinungsbildung. Das wäre für den Kanton Luzern eine unerwünschte Entwicklung», schreibt der Regierungsrat weiter. Aus «demokratiepolitischen Gründen» sei es nicht wünschenswert, die regionale publizistische Arbeit zu schwächen. Die gezielte Förderung kleiner und mittlerer Medien, wie es das Medienpaket unter anderem vorsieht, sei deshalb sinnvoll.

Kleinster gemeinsamer Nenner

Zwei Tage früher. Das Grün von Whats-App leuchtet auf meinem Handy auf. Die Nachricht eines Freundes: «Hey, wie soll ich am 13. Februar abstimmen? Du bist Journi, du musst es doch am besten wissen :-).» Hätte er mich in Person gefragt, würde das «du musst» wohl nachhallen, und das Smiley wäre ein freundlicher, leicht verzweifelter, leicht planloser Gesichtsausdruck. Ein Gesichtsausdruck, wie ihn derzeit viele Medienschaffende kennen – und bisweilen auch aufsetzen –, die sich mit dem Medienpaket privat und beruflich konfrontiert sehen.

Kein Wunder: Das von Bundesrat und Parlament geschnürte Paket, mit dem die Medien auf sieben Jahre befristet finanziell unterstützt werden sollen, ist weder Fisch noch Vogel. Der kleinste gemeinsame Nenner vieler Stunden Debatte in der kleinen und grossen Kammer. Ein typisch schweizerischer Kompromiss, den man gut finden darf – aber nicht muss. Denn so notwendig das Medienpaket ist, so viele Schönheitsfehler hat es.

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«Dass in der öffentlichen Diskussion die marktschreierische Polemik des Nein-Komitees nicht zu überhören ist, macht es nicht einfacher.»
 

Es fokussiert zum Beispiel zu einseitig auf die Vertriebskanäle – kurz: die gedruckte Zeitung – und zu wenig auf die journalistischen Inhalte. Indem das Medienpaket Zeitungen überproportional fördert und der Beitrag an Onlinemedien unter «ferner liefen» zu verbuchen ist, zementiert es die Strukturen der Medienlandschaft und hemmt Innovationen.

Nicht wegdiskutieren lässt sich auch die Tatsache, dass neben unzähligen kleinen und mittleren Medienhäusern auch grosse Konzerne wie die TX Group (u. a. «Tagesanzeiger»), CH Media (u. a. «Luzerner Zeitung») und Ringier (u. a. «Blick») vom Medienpaket profitieren. Konzerne, die in den letzten Jahren vor allem mit dem Zusammenlegen von Redaktionen, Kündigungen und weiteren Sparmassnahmen beim Journalismus von sich reden machten – gleichzeitig konzernweit aber grosse Gewinne einfahren.

Die falschen Fragen

Dass in der öffentlichen Diskussion die marktschreierische Polemik des Nein-Komitees («Steuermilliarden für Medienmillionäre», «Nein zu Staatsmedien») nicht zu überhören ist, macht es nicht einfacher, sich ein Bild von der Vorlage zu machen. Doch mir scheint, als würden ohnehin die falschen Fragen diskutiert.

Nicht: Wer profitiert mehr von den Fördergeldern – lokale und regionale Medienhäuser oder Grosskonzerne? (Eine degressive Klausel bevorteilt kleinere und mittlere Medien. Die genaue Verteilung der finanziellen Mittel regelt der Bund in einer Verordnung, die noch nicht vorliegt.)

Nicht: Berichten Medien noch unabhängig, wenn sie staatlich gefördert werden? (Die indirekte Presseförderung, also die vergünstigte Zustellung von Zeitungen, existiert in der Schweiz seit 1849. Davon profitiert zum Beispiel diese Lokalzeitung, aber auch die staatskritische «Weltwoche».)

Sondern: Was ist uns und damit der direkten Demokratie die journalistische Grundversorgung wert?

Und mit Bezug auf die Situation im Kanton Luzern: Gibt es denn eine Alternative?

Medien – «too big to fail»?

Die Schweizer Medienlandschaft hat die Phase der grossen Konsolidierungen hinter sich. In schnellem Tempo schreitet hingegen die Verlagerung der Nutzerinnen und Nutzer und des Werbemarkts ins Digitale voran. Die Werbeeinnahmen bleiben rückläufig, die Abo-Zahlen stagnieren. Davon betroffen sind nicht nur nationale Leitmedien, sondern längst auch unzählige lokale und regionale Medienhäuser wie der «Willisauer Bote», der «Anzeiger vom Rottal» oder der «Entlebucher Anzeiger».

«Zwar ist das legitim, zeugt aber von fehlendem Verständnis für die Rolle der Journalistinnen und Journalisten.»
 

Den lokalen und regionalen Medienhäusern ist gemein, dass sie die Kapillaren der Gesellschaft mit demokratierelevanten Nachrichten versorgen. Mit Hintergründen und Neuigkeiten aus den Gemeinden, die in den grossen Titeln kaum mehr abgebildet werden. Ihnen verhilft das Medienpaket zum notwendigen «Schnauf», wie es der Luzerner Regierungsrat ausdrückt. Allein diese niederschwellige journalistische Grundversorgung sollte uns etwas wert sein. Wenn für Schweizer Banken und unsere Landwirtschaft «too big to fail» gilt, wieso nicht auch für Medien?

Andere Vorlage nicht in Sicht

Das bringt mich zum letzten Punkt: Was ist die Alternative zum Medienpaket, wenn es am 13. Februar vor dem Volk scheitert? Ein Blick über die Kantonsgrenze hinaus zeigt: Die kantonale Medienförderung ist noch in den Kinderschuhen, könnte aber Schule machen. Die Waadt fördert zum Beispiel mit rund 6 Millionen Franken über fünf Jahre hinweg die kantonale Medienlandschaft. Bern hat Ähnliches vor. Und Luzern?

Hier hat der Regierungsrat 2019 einem «kantonalen Planungsbericht über die Medienförderung» die kalte Schulter gezeigt. Und in seiner Antwort an Kantonsrätin Anja Meier hält er fest: Ob sich aus einer möglichen Ablehnung des Medienpakets am 13. Februar «medienpolitische Konsequenzen auf kantonaler Ebene» ergäben, könne «zum heutigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden».

Wenn man der Argumentation des Regierungsrats von 2019 allerdings folgt, ist klar, was er im besten Fall unter «Medienförderung» versteht: das Einführen von «Medienanlaufstellen» in der Verwaltung und eine «umfassende Publikationstätigkeit über die Ziele und Mittel der kantonalen Politik (mit jährlich gegen 400 Mitteilungen)». Kurz: Behördenkommunikation. Zwar ist das legitim, zeugt aber von fehlendem Verständnis für die Rolle der Journalistinnen und Journalisten. Mit dem Stärken von unabhängigen Medien im Kanton Luzern hat das nichts zu tun.

Das Medienpaket, über das wir am 13. Februar abstimmen, ist ein Kompromiss. Nicht mehr, nicht weniger. Eine andere Vorlage, geschweige denn eine kantonale Förderung der Medien, ist nicht in Sicht – weder heute noch morgen. Doch die auf 7 Jahre befristeten Fördermassnahmen sind eine Chance für viele Medien und verschaffen uns Zeit und Raum, die Medienpolitik der Schweiz ganzheitlich neu zu denken.

 

PS: Kurz vor Weihnachten befasste sich der Bundesrat mit dem Leistungsschutzrecht. Was ist das? Das Leistungsschutzrecht sieht vor, dass Medien, die ihre Inhalte auf Plattformen wie Google oder Facebook teilen, dafür entschädigt werden. Schliesslich verdienen die Internetgiganten viel Geld damit, indem sie begleitend Werbung schalten. Diese Bestrebungen gibt es auch in der EU, Frankreich nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein. Internetplattformen und journalistische Medien haben dort erste Verträge abgeschlossen. Bis Ende 2022 will der Bundesrat eine entsprechende Vorlage für die Schweiz präsentieren. Damit verfolgt er die richtige Strategie: Es ist Zeit, dass journalistische Urheberinnen und Urheber für ihre Arbeit entschädigt werden.


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