30.10.2020

Parteien loten Chancen eines Parlaments aus

von Thomas Stillhart

Wie nach jedem Winter der Frühling folgt, taucht die Idee eines Einwohnerrats in der Stadt Sursee regelmässig auf. Aktuell prüft eine Gruppe verschiedener Parteien mehrere Optionen.

«Die Vorteile eines Einwohnerrats überwiegen die Nachteile aus meiner Sicht nicht», erklärte der damalige Stadtpräsident Beat Leu im September 2019. Der personelle und finanzielle Mehraufwand für ein Parlament sei gross, nicht nur die Verwaltung müsste stark ausgebaut werden.

Am 16. 11. das nächste Treffen

Seit September ist ein Stadtrat mit drei neuen Mitgliedern an der Arbeit. Ein loses Bündnis mit Vertretern mehrerer Ortsparteien nahm diesen Neustart zum Anlass, um die Frage eines Stadtparlaments an den Parteiengesprächen zu erörtern und beim Stadtrat die Chancen auszuloten. Am 16. November trifft sich diese lose Gruppierung das nächste Mal.

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Einer, der die Einführung des Einwohnerrats vorantreibt, ist Mario Cozzio, Präsident der GLP Sursee. «Sursee ist das zweite Zentrum im Kanton Luzern und nicht eine kleine Landgemeinde», sagt er. Die Stadt Sursee müsse sich ihrer Bedeutung bewusst werden und sich für die Zukunft rüsten. «Für mich ist die Zeit überreif für ein Stadtparlament.»

Parlament ist zukunftsgerichtet

Drei Hauptargumente nennt Mario Cozzio: «In einer so rasant wachsenden Stadt wie Sursee ist die Struktur eines Parlaments zukunftsgerichtet.» Ein Parlament bringe ausgereiftere Vorlagen. «Aus den Beratungen im Parlament resultieren nicht nur Ja- oder Nein-Vorlagen, sondern ausgewogene Lösungen.» Drittens zweifelt er an der Legitimation der Entscheide von Gemeindeversammlungen, die in Sursee kaum mehr als 100 Stimmberechtigte anlocken.

Wie sieht der GLP-Präsident die Chancen eines Stadtparlaments? GLP, Grüne, FDP und SVP stünden hinter dem Ansinnen, die Optionen für die Einführung zu klären, antwortet er. Dem bisher eingebrachten «Killerargument», den Kosten eines Gemeindeparlaments, hält er entgegen: «Wer vom Fleck kommen will, muss etwas investieren. Und ein Stadtparlament wäre genau ein solches Investment für Sursee.»

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Auf die politische Agenda

Stadtschreiber Bruno Peter weiss von den Bestrebungen von Mario Cozzio und auch Samuel Zbinden von den Grünen. Er sagt: «Der Stadtrat hat das Anliegen eines Einwohnerrats nicht im Legislaturprogramm.» Gleichwohl rechnet er damit, dass das Anliegen bald auf die politische Agenda kommt.

Der Stadtschreiber möchte sich zu diesem Thema nur wenig aus dem Fenster lehnen, da es politischer Natur sei. Er meint: «So eindeutig ist ein Entscheid für oder gegen einen Einwohnerrat nicht.» Das könne er bereits heute sagen. Bruno Peter weist diesbezüglich auf den besonderen Charakter der Surseer Gemeindeversammlung hin. «Die Gemeindeversammlung ist wie ein kleines Parlament. Jeder weiss, wo die Parteienvertreter jeweils sitzen.»

Aktive Anwesende

Zwar sei die Beteiligung an den Versammlungen verhältnismässig gering. «Die Anwesenden sind aber aktiv. Zu fast allen Geschäften geben die Parteien eine Stellungnahme ab.» Derzeit überprüft die Stadt Sursee die Kommissionen. Ein Einwohnerrat hätte auch Auswirkungen auf die ständigen Kommissionen, ist Stadtschreiber Bruno Peter überzeugt.

Seit mindestens 50 Jahren beschäftigt sich die Stadt Sursee mit der Idee eines Einwohnerrats. 1973 sagten zum Beispiel zwei Drittel der von 813 Bürgern besuchten Gemeindeversammlung Nein. Während der Abklärung der Viererfusion Geuensee, Knutwil, Mauensee und Sursee wägte die Projektgruppe Vor- und Nachteile profund ab. Der Schlussbericht vom 26. Oktober 2011 hielt fest: «Ein Einwohnerrat scheint auf Grund der Bevölkerungszahl (14’000) nicht opportun.»

Vor- und Nachteile dargelegt

Vorteile seien die Bürgernähe der Einwohnerräte, die Belebung der Politik und die Mobilisierung der Parteien. Nachteilig wertete man die schwierige Rekrutierung der Personen, die Mehrkosten von rund 200’000 Franken, den Verlust an Basisdemokratie und dass Parteipolitik wichtiger als Sachpolitik werde.

Vor fünf Jahren lehnte das Surseer Stimmvolk die Abschaffung der Gemeindeversammlung ab. Seither blieb die Frage nach der politischen Teilhabe akut. Die «Monster»-Gemeindeversammlung über die Ortsplanrevision sowie der Urnenentscheid über das «Therma-Areal» beförderten die Diskussion über die Form der politischen Teilhabe, wie auch Mario Cozzio erklärt. Und der neue FDP-Ortsparteipräsident Joachim Cerny schrieb in dieser Zeitung vom 22. Oktober: «Da davon auszugehen ist, dass die Sachgeschäfte immer komplexer werden, benötigt es eine permanente Begleitung des Stadtrats in Form eines Gemeindeparlaments.»

Info

Das Beispiel Ebikon

Der Souverän der knapp 14’000 Einwohner von Ebikon stimmte der Einführung des Einwohnerrats am 29. September nach vier erfolglosen Anläufen wuchtig zu. 77,6 Prozent sagten Ja. Ein Initiativkomitee reichte das Begehren ein, alle Ortsparteien sowie der Gemeinderat unterstützten das Gemeindeparlament.

In der Botschaft zur Abstimmung präsentierte der Gemeinderat Vor- und Nachteile sowie mögliche Eckdaten des Einwohnerrats. Zu den fünf gewichtigsten Vorteilen gehören die klaren Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten, die repräsentative Vertretung der Bevölkerung, weniger Wahlen, politisch abgestützte Entscheidungen und eine breitere Machtverteilung durch «Checks and Balances».

Negativ – die fünf wichtigsten Punkte – wertete der Gemeinderat die Schwächung der direkten Demokratie durch Kompetenzdelegation an das Gemeindeparlament, die aufwändigere politische und adminis-trative Prozesse und Mehrkosten, längere Entscheidungswege durch stärkere Formalisierung, mehr politische und weniger fachlich abgestützte Entscheide sowie geringere politische Partizipation von kleineren Gruppierungen, zum Beispiel Parteilosen.

Zudem hielt der Gemeinderat fest: «Aufgrund der höheren zeitlichen Belastung bei der Begleitung des politischen Prozesses sind Pen-senanpassungen absehbar.» Auch die Personalressourcen in der Gemeindeverwaltung würden erhöht.

Das Initiativkomitee betonte: «Urnenabstimmungen finden auch in Zukunft statt. Die zentralen Geschäfte können mit dem obligatorischen oder fakultativen Referendum vors Volk gebracht werden.» Ein Einwohnerrat entlaste den Gemeinderat, sei aber zugleich kompetenter Sparringpartner und Kontrollinstanz für die Exekutive.

Bei den Eckwerten eines möglichen, 30-köpfigen Einwohnerrats ging die Botschaft von acht jährlichen Sitzungen à je fünf Stunden sowie zehn zusätzlichen Sitzungsstunden für Ratsmitglieder aus. Neben einer Pauschale von 500 Franken wäre ein Sitzungsgeld von 50 Franken pro Stunde möglich. Je 4000 Franken veranschlagt der Gemeinderat in der Botschaft für die Präsidentenfeier und den Einwohnerratsausflug pro Jahr.

Insgesamt rechnet der Gemeinderat von Ebikon mit Gesamtkosten pro Jahr von rund 450’000 Franken. Gleichzeitig würden jedoch auch Kosten wegfallen, so dass er die Mehrkosten pro Jahr mit 230’000 Franken schätzt. Diese Zahlen geben ein grobes Bild. Ob sie auf die Stadt Sursee übertragbar sind, werden ausführliche Abklärungen zeigen müssen.


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